Die Trennung ist vollzogen

Ausstattungskino vor englischer Küstenkulisse: Charles Dance’ „Der Duft von Lavendel“

Nach Lavendel riechen die Zimmer alter Damen, die ihre Wäsche mit Lavendelsäckchen parfümieren – sauber, aber ein bisschen von gestern. Lavendelsäckchen verlieren schnell ihr Aroma. Dann riechen sie muffig. Der Titel hat auf den Film abgefärbt – Charles Dance’ „Der Duft von Lavendel“ ist klassisches Ausstattungskino, unaufgeregt und etwas altmodisch.

Cornwall, 1936: Das Leben zweier alter Damen, Janet (Maggie Smith) und Ursula (Judi Dench), gerät in Aufregung, als der Schiffbrüchige Andrzej (Daniel Brühl) angespült wird und sich bald in ihrem Gästezimmer wiederfindet. Der Sturm legt sich, nur vereinzelte Wellen schwappen noch an die Küste. In genauso vorhersehbaren Bahnen plätschert auch der Film dahin. Andrzej, ein junger Geiger, erholt sich; bald taucht eine verführerische Frau auf, die droht, den jungen Mann den beiden alten Damen zu entreißen. Jetzt kommt erstmals Bewegung in den Film. Die sonst distanziert beobachtende Kamera nimmt Andrzejs Standpunkt ein, verliert die Schwestern aus dem Blick, schaut zwischen ihnen hindurch zur verführerischen Olga (Natascha McElhone). Mit ihrem Auftauchen gerät das Figurengeflecht aus dem Gleichgewicht; sie bricht die Strukturen auf. Die Kamera bezieht jetzt Stellung, verortet die Personen im Raum, unterstreicht die neuen Allianzen, schaut von außen ins Haus, nutzt Fensterrahmen und -streben, um innerhalb des Bildrahmens neu zu kadrieren. Andrzej und Olga, Ursula und Janet – selbst wenn sie noch im gleichen Raum stehen, ist ihre Trennung auf visueller Ebene schon vollzogen.

„Der Duft von Lavendel“ hätte großes Gefühlskino sein können. Der Stoff, eine Kurzgeschichte von William J. Locke, bietet alle Voraussetzungen für ein Melodram. Hätte sich Charles Dance in seinem Regiedebüt doch nur vollen Herzens dafür entschieden, er hätte allenfalls grandios scheitern können. So eiert der Film unentschlossen hin und her. Ein bisschen Kitsch, aber nicht zu viel. Ein paar dramatische Streicherklänge. Ursula, die ihre nie gelebte Liebe auf den Märchenprinzen projiziert – und überraschend schnell wieder vernünftig wird. Der Film ist zwar kein Melodram im Stil der 30er-Jahre, bleibt aber trotzdem dieser Zeit verhaftet – und gibt damit den Anspruch auf Zeitlosigkeit auf. „Der Duft von Lavendel“ leidet an der unentschlossenen Haltung des Regisseurs – und an Daniel Brühl, der Andrzej blass, ohne Leidenschaft und Tiefe spielt. SARAH MERSCH

„Der Duft von Lavendel“, Regie: Charles Dance. Mit Judi Dench, Daniel Brühl u. a., Großbritannien 2004, 103 Min.