Imame als Spitzel in Deutschland: Auf der Suche nach Gülen-Anhängern

Die Türkei sammelte über Imame Informationen. Der Islamverband Ditib spricht von „Amtsmissbrauch“ und verspricht Aufklärung.

Moschee und Minarett vor Sonnenuntergang

Auch aus dieser Gemeinde wurde nach Ankara berichtet: Merkez-Moschee in Duisburg-Marxloh Foto: dpa

BERLIN taz | Den deutschen Sicherheitsbehörden liegen jetzt die Unterlagen vor, die auf eine Spitzeltätigkeit türkischer Imame in Deutschland hinweisen sollen. „Diese werden derzeit sorgfältig geprüft“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Mittwoch der taz. Deutsche Medien hatten zuvor aus den Unterlagen zitiert.

Die Bundesregierung ist sich aber noch uneins, wie sie mit dem Thema umgehen soll. „Das sind sehr schwere Vorwürfe, denen nachgegangen werden muss. Unser Vertrauen steht auf dem Spiel“, sagte die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, der taz. „Danach können wir erst sagen, ob und wenn ja, welche Konsequenzen in der Zusammenarbeit mit Ditib gezogen werden müssen.“

Die regierungskritische türkische Zeitung Cumhuriyet hatte vor zwei Wochen über eine Anweisung der türkischen Religionsbehörde Diyanet berichtet. Diese hatte im September alle türkischen Auslandsvertretungen dazu aufgefordert, Berichte über Gemeindemitglieder und Menschen abzuliefern, die den Anhängern des Predigers Fethullah Gülen zuzurechnen seien. Die türkische Regierung macht die Bewegung des in den USA lebenden Predigers für den gescheiterten Putschversuch im Juli diesen Jahres verantwortlich und geht rigoros gegen dessen Anhänger vor.

Listen mutmaßlicher Gülen-Anhänger

Zumindest die Generalkonsulate in Köln, Düsseldorf und München reagierten auf die Anweisung. Mehrere Imame aus diesen Regionen lieferten ihnen entsprechende Berichte ab. Aus amtlichen Dokumenten geht hervor, dass sie Informationen über angebliche Gülen-Anhänger an die türkische Regierung weitergaben.

Der deutsch-türkische Islamverband Ditib, dem bundesweit rund 900 Moscheegemeinden angehören, hatte die Vorwürfe gegen seine Imame zunächst als haltlos zurück gewiesen, dann aber eine lückenlose Aufklärung zugesichert. „Wer sein Amt missbraucht, muss mit Konsequenzen rechnen“, kündigte der Verband an, und versicherte: „Als die größte islamische Religionsgemeinschaft tragen wir eine Verantwortung nicht nur für unsere Mitglieder, sondern auch gegenüber der Mehrheitsgesellschaft.“

Ditib ist die größte islamische Dachorganisation in Deutschland. Die Imame, die in ihren Moscheegemeinden predigen, stehen aber im Dienst der türkischen Religionsbehörde in Ankara, von der sie auch bezahlt werden. Erst im August sagte Ditib-Sprecher Zekeriya Altuğ, sein Verband wolle langfristig von Ankara unabhängiger werden. Doch offenbar ringen bei Ditib jene, die an einer stärkeren Integration ihres Verbands in Deutschland interessiert sind, mit den stärker türkeiorientierten Kreisen um den künftigen Kurs. Von der Weisung aus Ankara, die offenbar über die Konsulate und Botschaften an die Imame ging, zeigte man sich der Verbandszentrale in Köln jedenfalls überrascht.

In Berliner Moschee den Vorstand ausgewechselt

Ankara will bei Ditib in Deutschland möglicherweise noch stärker durchregieren. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der siebenköpfige Vorstand der größten Moschee in Berlin, der Şehitlik-Moschee im Bezirk Neukölln, auf Weisung des türkischen Religionsattachés abgesetzt wurde. Der Gemeindevorstand Ender Çetin hatte sich durch seinen offenen Kurs gegenüber der deutschen Öffentlichkeit einen Namen gemacht.

In mehreren Bundesländern ist die Politik bereits auf Distanz zu Ditib gegangen

„Es ist zutiefst erschreckend, wie die Türkei versucht, über ihre Religionsbehörde Diyanet politischen Einfluss auf die Menschen hier auszuüben“, sagte die integrationspolitische Sprecherin der Union, Cemile Giousouf, der taz. Dass Ditib die Spitzel-Vorwürfe gegen ihre Imame untersuchen wolle sei gut, reiche aber nicht: „Ditib sollte diesen Fall zum Anlass nehmen, sich grundsätzlich als unabhängige deutsche Organisation aufzustellen. Das ist sie ihren Mitgliedern, vor allem den Kindern in der vierten Generation schuldig“, so Giousouf.

Opposition fordert härteren Kurs

In mehreren Bundesländern ist die Politik bereits auf Distanz zu Ditib gegangen. Der Opposition im Bundestag geht das aber noch nicht weit genug. Volker Beck, religionspolitischer Sprecher der Grünen, forderte die hessische Landesregierung dazu auf, ihre Kooperation mit dem türkisch-islamischen Verband Ditib zu überdenken. Das schwarz-grün regierte Hessen ist bisher das einzige Bundesland, in dem Ditib an staatlichen Schulen bekenntnisorientierten Religionsunterricht anbieten darf. Die Chefin der Linkspartei im Bundestag, Sahra Wagenknecht, forderte die Bundesregierung auf, spionierende Imame auszuweisen und Erdoğans Netzwerke in Deutschland zu „zerschlagen“.

Ditib ist derweil um Schadensbegrenzung bemüht. Imame seien besondere Vertrauenspersonen, betonte der Verband, darum wögen die Vorwürfe schwer. „Fehlerhaftes Verhalten Einzelner“ dürfe aber „nicht zur Beeinträchtigung der religiösen, sozialen und friedensstiftenden Tätigkeit der Imame führen“, schrieb Ditib in einer Erklärung.

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