Der Anschlag im französischen Nizza: Ein Laster als Waffe

Am Nationalfeiertag tötete ein Attentäter über 80 Menschen mit einem Lkw. Die Tat war eine Wende in der Konfrontation mit dem IS-Terror.

Polizisten stehen in der Nähe eines Lkw, dessen Frontscheibe mit Einschusslöchern übersäht ist

Der Lkw, mit dem ein Attentäter zahlreiche Menschen auf der Strandpromenade von Nizza tötete Foto: dpa

PARIS taz | Es war am Abend des 14. Juli in Nizza. Auf der Strandpromenade am Ufer der Côte d'Azur befand sich nach dem traditionellen Feuerwerk zum Nationalfeiertag eine dichte Menge. Einheimische und Touristen, viele Familien mit Kindern. Zuerst hatte niemand den 19-Tonnen-Lkw bemerkt, der kurz vor 22.30 Uhr auf den für jeden Verkehr gesperrten Abschnitt der Promenade des Anglais zufuhr.

Am Steuer saß der in Nizza wohnende Tunesier Mohamed Lahouaiej-Bouhlel. Niemand ahnte, was er vorhatte. Auf den letzten hundert Meter beschleunigte er, dann umfuhr er eine simple Polizeisperre aus einem quer gestellten Patrouillenwagen und einem Metallzaun, indem er sein Fahrzeug auf das breite Trottoir der Promenade lenkte. Bereits da hatte sein Laster die ersten Menschen togefahren.

Erst jetzt begriffen die Leute, dass dies der eigentliche Zweck dieser Raserfahrt war. Denn der Lkw fuhr im Zickzackkurs vorsätzlich in die Menge. Ein Mann, der die Mordabsicht begriffen hatte, verfolgte das Fahrzeug mit seinem Motorroller und versuchte heldenhaft, aber vergeblich die Tür der Fahrerkabine zu öffnen. Wenig später schossen Polizisten mit ihren Dienstpistolen, um das Fahrzeug und den Lenker zu stoppen, der selber mehrmals aus einer Waffe auf sie feuerte. Als der Lkw mit zerschossenen Reifen schließlich anhielt, töteten zwei Beamte den vermutlich verletzten Lahouaiej-Bouhlel.

Seine Todesfahrt auf 1,7 Kilometern hatte mehr als eine Viertelstunde gedauert. Es starben 86 Menschen, mehr als 400 wurden zum Teil sehr schwer verletzt. Wenig später teilte die Terrororganisation „Islamischer Staat“ mit, der Täter habe in ihrem Sinn und Auftrag gehandelt.

Risse in der Solidarität

Nach dem Attentat auf den Konzertsaal Bataclan und den parallelen Angriffen auf Pariser Cafés und das Stadion „Stade de France“ am 13. November 2015 war dies der schlimmste Anschlag islamistischer Terroristen in Frankreich. Doch anders als noch beispielsweise beim Mordanschlag gegen „Charlie Hebdo“ oder am 13. November zeigte sich schnell Risse in der breiten Solidarität. Es hagelte in Nizza Vorwürfe wegen mangelnder Sicherheitsvorkehrungen.

Die verschiedenen Dienststellen auf kommunaler und nationaler Ebene schoben sich gegenseitig die Verantwortung zu, die politische Opposition machte die Regierung mitverantwortlich. Und schlimmer noch: Bei den ersten Mahnwachen und Gedenkfeiern auf der Uferpromenade wurden arabisch aussehende Angehörige von Attentatsopfern rassistisch angepöbelt. Die Lokalpresse mahnte, ein Drittel der Opfer seien Muslime oder stammten aus muslimischen Ländern.

Das Attentat von Nizza war in doppelter Weise eine Wende in der Konfrontation mit dem Terrorismus des IS. Neu war das Vorgehen mit einem Laster als Waffe bei einem Massenmord. In gewissem Sinne stellte es auch einen nachträglichen „Erfolg“ des Attentäters dar, dass sich wegen der Polemik über die Prävention und Bekämpfung des Terrorismus solche Risse in der trauernden Nation bildeten.

Auch existiert seither die Angst, dass dieses Attentat von Nizza in Frankreich oder anderswo Nachahmung finden könnte. Die Parallelen zu den tragischen Ereignissen auf dem Berliner Weihnachtsmarkt haben darum die Menschen in Frankreich schockiert, aber nicht völlig überrascht.

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