Ausstellungsempfehlung für Berlin: Wunschraum vs. Raumangst

Wiedereröffnung: Die daadgalerie zieht in die Oranienstraße. Die taz sprach mit den Verantwortlichen für Bildende Kunst, Ariane Beyn & Bettina Klein.

Ab Freitag in der daadgalerie zu sehen: Minouk Lim, „New Town Ghost“, 2005 (Videostill) Foto: Minouk Lim

Anlässlich des Umzugs der daadgalerie von der Zimmerstraße in die Oranienstraße beschäftigt sich das Berliner Künstlerprogramm des DAAD unter den Vorzeichen „topophilia/topophobia“ mit geliebten Räumen und Angsträumen, politischen und solchen des Rückzugs. Zwischen dem 12. und 14. 1. finden zur Wiedereröffnung Konzerte, Lesungen, Filmscreenings und Performances statt.

Wir zuvor wird es einen Ausstellungsraum geben, hinzu gekommen ist ein Studio im ersten Stock, dass für Lesungen, Diskussionsrunden und Konzerte Raum bietet, aber auch den Fellows des Berliner Künstlerprogramms des DAAD als Labor dient. Bis zum 22. 1. wird im Studio Yutaka Makino multisensorische Installation für (nur!) eine Person, „The Program“, zu sehen sein; das Erdgeschos bespielt Minouk Lim mit ihrer Einzelausstellung „New Town Ghost GAGA HOHO“.

Lim verbindet in ihrer Arbeit häufig die Medien Film, Installation, Skulptur und Performance, dabei sind Industrialisierung und globale Wirtschaftssysteme immer wieder Thema. In ihrem Film „New Town Ghost“ fährt Lim auf einem Truck durch ihr altes Viertel Yeongdeungpo in Seoul, das abgerissen wurde. Per Megafon beschwört sie die neue Mall, die dort hochgezogen wurde, als Geisterhaus.

Neben dieser Gentrifizierungskritik, zeigt die Künstlerin in der Ausstellung vornehmlich Skulpturen, die sie aus organischen Materialien wie Schaumstoff oder Agar Agar herstellt. Flexible, absorbierende Stoffe binden für Lim Erinnerung. Ein ortsspezifisch erstellter Abguss aus Latex wird sich über den Boden erstrecken und so die Räume „speichern“.

Eröffnung der daadgalerie mit Performance von Minouk Lim: 12. 1., 18.30 Uhr;Ausstellungen bis 22. 1., tgl. 12–19 Uhr, Oranienstr. 161

Vereinbarung für den Besuch der Ein-Personen-Installation unter 0178/9047781 (9.-12.1. 10-15 Uhr, 13.-22.1. 12-19 Uhr) und vor Ort in der daadgalerie (13.-22.1.12-19 Uhr).

Die taz sprach mit Ariane Beyn & Bettina Klein, den Spartenleiterinnen Bildende Kunst beim Berliner Künstlerprogramm des DAAD.

Einblick (655): Ariane Beyn & Bettina Klein

taz: Welche Ausstellung in Berlin hat euch zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum?

Ariane Beyn + Bettina Klein: „On the subject of the Ready-Made or Using a Rembrandt as an Ironing Board“, kuratiert von der Künstlerin Bethan Huws mit Werken der Daimler Art Collection zum 100-jährigen Geburtstag des Readymade. Marcel Duchamps Konzepte, Referenzen und Wortspiele vermittelt Huws mit unkonventionellen Gegenüberstellungen von Werken, viel Humor und immensem Wissen.

Außerdem Clemens von Wedemeyers Ausstellung „P.O.V.“ im n.b.k. letzten Sommer – eine kluge und wichtige Analyse von historischem Filmmaterial aus dem Zweiten Weltkrieg, kombiniert mit zeitgenössischer Computerspieltechnik.

Welches Konzert oder welchen Klub könnt ihr empfehlen?

Am 25. Januar spielt die Band „The Plastic People of the Universe“ im Tschechischen Zentrum, 1976 war die Verhaftung der Bandmitglieder und das Verbot der Band Mitauslöser für die Oppositionsbewegung Charta 77.

Ariane Beyn (*1972) und Bettina Klein (*1970) leben seit Anfang der 1990er Jahre in Berlin. Beide haben unter anderem an der Freien Universität Berlin Kunstgeschichte studiert und arbeiten seit ca. 2000 als freie Kuratorinnen. Seit 2008 (Ariane Beyn) bzw. 2013 (Bettina Klein) leiten sie die Sparte Bildende Kunst des Berliner Künstlerprogramms des DAAD.

Auch immer wieder schön: die kleinen Konzerte bei Image Movement, wie neulich Mouse on Mars und demnächst im Februar Hanno Leichtmann mit „unfinished portrait of roedelius today“. Und natürlich die vielen Konzerte unseres Eröffnungsprogramms der daadgalerie, z. B. von Yan Jun, Mazen Kerbaj oder Turgut Erçetin!

Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet euch zurzeit durch den Alltag?

Momentan eine Anthologie zu Oskar Hansens „Open Form“-Konzept (Hg. Axel John Wieder und Florian Zeyfang). Wir haben vor einigen Jahren in der daadgalerie eine Videoausstellung zur polnischen Performancekunst seit den 1990er Jahren gezeigt, die bis heute von Hansens Ideen beeinflusst ist. Außerdem: Didier Éribons „Retour à Reims“, und neben diversen Tageszeitungen unter anderem das online Magazin ostpol.

Was ist euer nächstes Projekt in diesem Jahr?

Einzelausstellungen von Wendelien van Oldenborgh („…As for the Future…“, Februar/März) und Rayyane Tabet („Kopf hoch! Mut hoch! Und Humor hoch!“, April/Mai) in der daadgalerie.

Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht euch am meisten Freude?

Die Gespräche, Atelierbesuche und Abendessen mit Künstlern.

Text und Interview erscheinen im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer Donnerstags in der Printausgabe der taz

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