Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Das Elend des Merkel’schen Personals, Herzogs sozialpolitisches Fiasko und Mittelalter-Mittel für „Gefährder“. Ein Hoch auf Michelle Obama.

Ein Gürtel wird weiter geschnallt

„Wir müssen den Gürtel weiter schnallen. Den des Nächsten zuerst“ Foto: imago/Jasmin Borgenheimer

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Jetzt muss sich Erika Steinbach schon selbst vertreiben.

Und was wird besser in dieser?

Die AfD erwägt den Untertitel: „CDU der Untoten“.

Das iPhone feierte unlängst seinen 10. Geburtstag. Welche Revolution folgt eigentlich auf die Digitale Revolution?

Mal Siri fragen: Künstliche Intelligenz.

Günther Oettinger musste vor seinem Wechsel in das Haushaltsressort dem EU-Parlament Rede und Antwort stehen. Dabei bedauerte er nochmals seine Ausdrucksweise gegenüber Chinesen, Frauen und der gleichgeschlechtlichen Ehe in einer Rede vom Oktober. Hat er es jetzt verstanden?

Wenn das ZDF sich ein bisschen um Ausgewogenheit bemühte, wäre Ötti der ideale Host für die „Gestern Show“. Nimmt man noch Sit-down-Comedian Thomas de Maizière ins Bild, sieht man Glanz und Elend der Merkel’schen Personalpolitik: Oettinger ist der ideale Scharfmacher, sicherheitsverwahrt im Bällchenparadies der Sachzwänge und Lobbygruppen.

Jetzt muss sich Erika Steinbach schon selbst vertreiben. Die AfD erwägt den Untertitel: „CDU der Untoten“.

De Maizière fällt jeder beflissene Versuch, auch mal ordentlich populistisch zu sein, auf die Füße: Mal donnergrollt er von verunsichernden Antworten, die er schuldig bleibt – mal rät er angesichts terroristischer Attacken zum Erwerb lang haltbarer Einkellerungskonserven. Herkömmliche Personalpolitik führte zum Ämtertausch beider – hie der geräuscharme Manager de Maizière im Sachressort, dort der Quartalsstänkerer Oettinger im Law-and-order-Dark­room. Merkel hingegen stellt den Torwart in die Sturmspitze und den Kasper ins Tor – das ist Personalpolitik der Schadensminimierung. Mit Adenauer: „Man soll sich keine besseren Menschen wünschen. Es gibt nur die.“ Merkel spielt mit der Reserve verstecken.

Letzter Gruß an Obama Family?

Vielleicht war Hillary Clintons schwerster und entscheidender Gegner: Michelle Obama. Wer beide in den US-Talkshows sah, wusste, wer eine überzeugende Landesmutter sein könnte. Nicht Hillary. Und Michelle hat noch Zeit.

„Durch Deutschland muss ein Ruck gehen, wir müssen Abschied nehmen von liebgewordenen Besitzständen. Alle sind angesprochen, alle müssen Opfer bringen – die Großen mehr, die Kleinen weniger. Aber es müssen auch alle mitmachen“, sprach der nun verstorbene Roman Herzog. Welchen Ruck braucht das Land heute?

CDU-Mann Herzog bekannte sich als „CSU-Mann im Exil“, als er den Durchmarsch lupenreiner FDP-Politik forderte, den die SPD dann durchsetzte. Das endete in einem Fiasko – die Großen brachten weniger, die Kleinen mehr Opfer. Keine große Überraschung, wenn ein Jurist wirtschafts- und sozialpolitische Umbauten fordert. Umgekehrt wäre es sicher auch lustig geworden. Herzog war nicht unbequem, sondern Herold des Neoliberalismus, ohne ihn in seiner Tragweite und Wirkung verstanden zu haben. Heute sind wir schon in der Spätphase der ungerechter gewordenen Gesellschaft. Man ruft nicht mehr nach besserer Sozialpolitik, sondern keift gleich gegen Sündenböcke und will, was man selbst ersehnt, dann wenigstens auch anderen nicht gönnen. Die Ruckrede heute hätte also um einen Kern zu kreisen, der „Es ist geil, fair zu sein“ hieße. Oder „Wir müssen den Gürtel weiter schnallen. Den des Nächsten zuerst.“

Es wird geprüft, ob auch vermutete „Gefährder“ in Zukunft elektronische Fußfesseln bekommen sollen. Was soll das bringen?

Allein: wenig. Ist der Verdacht gegen einen „Gefährder“ konkret genug, wird auch „Ingewahrsamnahme“ rechtlich möglich. Also Haft. Ist der Verdacht eher lau, grenzen die Maßnahmen an Menschenrechtsverletzungen. Dazu reicht der Blick ins alte Lexikon, wo derlei „Gewahrsam“ auf gut Nazi „Schutzhaft“ hieß. Davor traf es etwa Rosa Luxemburg und streikende Arbeiter. Andererseits kann der Gefährder mit Fußfessel Flughäfen, Volksfeste und Bahnhöfe meiden, damit es in der Überwachungszentrale nicht piept. Und unbehelligt irgendeinen Supermarkt bomben. Maas und de Maizière wissen das und sprechen von einem „sinnvollen Teil größerer Sicherheitspakete“. Die Fußfessel ist eine körperliche Drangsal, darin Nachfahrin mittelalterlicher Brandmarkung; das mag ein wirksamer Aspekt sein – als Geste für hasserfüllte Rechtswähler.

Und was machen die Borussen?

Endlich hat sich unser Kapitän Marcel Schmelzer von diesem Schlager­sänger­schnür­sen­kel auf der Stirn verabschiedet, da wächst ihm ein Polizeihauptmeisteranwärterschnäuzer. Ab und an mag ich diese Hochtribünensitzplätze, von wo aus man maximal die Rückennummer erkennt.

Fragen: NJB

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.