Spielfilm „Personal Shopper“: Gestörter Signalverkehr

In Olivier Assayas’ Film sucht eine junge Einkäuferin Kontakt zu ihrem verstorbenen Bruder. Überall sind Geister. Sie steht auf Empfang.

Eine Frau schaut von einem Balkon durch ein geöffnetes Fenster

Maureen (Kirsten Stewart) ist ein Medium Foto: Weltkino

Maureen Cartwright (Kristen Stewart) geht in ein Haus. Es ist groß, es ist einsam, es ist von allen guten Geistern verlassen. Oder auch nicht. Ihr Bruder Lewis hat hier gelebt, er ist sehr jung gestorben, ein Herzfehler, den auch Maureen hat. Sie ist auf der Suche nach Lewis, nach einem Zeichen, das er ihr gibt, sie ist ein Medium, wie auch er eines war, die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits ist für die beiden womöglich nicht absolut. So hofft sie, dass er mit ihr nach seinem Tod in Kontakt treten könnte.

Sie schaltet sich auf Empfang. Und sie empfängt Zeichen. Ein Wort, ein Geräusch, nur ganz sicher kann sie nicht sein. Bei einem zweiten Besuch kommuniziert ein zischend-schleieriger Geist mit ihr, aber das ist nicht Lewis.

Der Titel des Films beschreibt Maureens Job: Sie ist unterwegs als persönliche Einkäuferin für einen Modestar namens Kyra (Nora von Waldstätten), den sie kaum jemals sieht. Nicht jenseitig, zunächst jedenfalls, aber ziemlich abwesend ist auch sie. Maureen geht in Designerläden auf die Jagd, kauft Kleider, Schuhe, Schmuck, den Kyra dann kaum jemals trägt. Und Maureen macht mit Ingo Bekanntschaft, dem Lover ihrer Chefin, ein Snob, den Lars Eidinger spielt.

Maureen ist eine Person im Zeichenverkehr. Sie hofft auf Signale von ihrem Bruder, nach der Art, wie sich Verstorbene im Hiesigen melden. Auf ihrem Smartphone sieht sie sich Filme und Videos an, etwa zu Victor Hugos aufwändiger Ja/Nein-Tischklopfmethode der Zwischenweltkommunikation.

Maureen ist viel unterwegs, und zwar im Zug. Sie hat immer das Smartphone dabei, beides, das Viel-im-Zug-Sein und die Smartphone-Präsenz, war schon bei „Die Wolken von Sils-Maria“ auffällig, dem Film, den Regisseur Olivier Assayas davor mit Kristen Stewart gedreht hat. Dort war sie die persönliche Assistentin der von Juliette Bi­noche gespielten Schauspielerin. Eine Konstellation, die Assayas in diesem neuen Film variiert. Nur diesmal fehlt ein Pendant. Dafür drängen Geister ins Bild und bleiben doch in der Regel im Off.

Kyra kommuniziert auch mit Botschaften auf Papier. Auf dem Handy meldet sich per SMS jedoch bald ein Fremder. Auch das ist nicht Lewis, sondern jemand, der mit Maureen Katz und Maus spielen will, er Katze, sie Maus. Es kommt zu nicht eingehaltenen Hotelzimmer-Dates. Er verführt sie in SMS-Dialogen dazu, ihren verbotenen Begierden zu folgen.

„Personal Shopper“. Regie: Olivier Assayas. Mit Kristen Stewart, Lars Eidinger u. a. Frankreich/Deutschland 2016, 110 Min.

Diese Begierden sind ziemlich banal. Sie möchte die Schuhe und Kleider tragen, die sie als Kyras Personal Shopper geleast und gekauft hat. Spricht da per SMS ihr nur für sie selbst nicht zutage liegendes Unbewusstes mit ihr? Sie tut, was sie will, aber nicht darf. Mit ihrem Freund, der IT-Sachen in einem Wüstenstaat macht, kommuniziert sie per Skype. Später fliegt sie da hin, aber zusammen kommen sie nicht.

Wo es in „Die Wolken von Sils-Maria“ um das forcierte Austragen einer scharfen Rivalität ging, da geht es in „Personal Shopper“ um die Unfähigkeit, Verbindung zu finden. Das „Personal“ des Titels zeigt eine Form von Besitz an, fast Leibeigentum. Diese Abhängigkeit produziert einen Körper und einen Geist, der sich nach anderen Beziehungen sehnt. Auf dieser merkwürdigen Ebene ist das ein kapitalismusanalytischer Film.

Und Assayas tut immer weiter Geister dazu. Geister von Toten, aber auch die meisten Lebenden sind nicht so ganz von dieser Welt. Das eine Mal gibt es ein Gespenst wie im Film richtig per Special Effect. Zweimal geht ein Glas Wasser im Freien spazieren. Scherben bringen Gewissheit oder auch nicht. Maureen steht auf Empfang, aber der Signalverkehr ist gestört. Wir sehen was, was sie nicht sieht. Wir leben in einer gespenstischen Welt.

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