Antisemitische Karikatur in Schulbuch: Ein „bedauerlicher Fehler“

In einem Buch des Klett-Verlags wird implizit die Rothschild-Bank als Strippenzieher der Eurokrise gezeigt. Es wird nun aus dem Verkehr gezogen.

Ein Luftballon ohne Luft mit Europafahne als Motiv

Es gibt viele Arten, die Eurokrise zu illustrieren. Manche sollte man sich aber sparen Foto: dpa

Die EU droht vertilgt zu werden. Von der US-amerikanischen Ostküste kommend bahnt sich eine riesige Euro-Münze in Form einer Pac-Man-Figur den Weg zum Staatenverbund, im Begriff, diesen aufzufressen. „ROTHSCHILDBANK“ prangt im Schweif des raffgierigen und spitzzahnigen Geldstücks.

Die Karikatur stammt aus dem Oberstufenschulbuch „Anstöße 2“ und soll wohl eine Diskussionsgrundlage zur Eurokrise bieten. Was sie aber impliziert: der Euro als Waffe der von der jüdischen Familie Rothschild gegründeten Bank. Diese Rothschild-Verschwörungstheorie ist ein antisemitischer Evergreen: Nicht nur Akteure der neurechten Querfront-Bewegung wie der Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer behaupten, die „Strippenzieher“ der Welt explizit benennen zu können, auch während des Nationalsozialismus wurde schon gegen jüdische Bankiersfamilien wie die Rothschilds als „Verschwörer“ agitiert.

Der Bildnachweis im Lehrwerk verweist auf die Internetseite des Karikaturisten David Dees. Ein Blick auf einige seiner Illustrationen genügt, um zu verstehen, welcher Ideologie der Künstler anhängt: Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu – auf sämtlichen Bildern natürlich mit Davidstern versehen, um die Verbindung zum jüdischen Glauben herzustellen – sei der Strippenzieher der Terrormiliz „Islamischer Staat“, unterstellt Dees auf einer Illustration.

Eine andere Karikatur zeigt ihn umringt von wohl palästinensischen Toten in einem Trümmerhaufen, am eisernen Strang ist der ehemalige US-Präsident Barack Obama angeleint. Im Hintergrund lesen sich Schriftzüge wie „Israel Apartheid State“ und die Toraufschrift der nationalsozialistischen Konzentrationslager „Arbeit macht frei“. In weiteren Illustrationen behauptet der Künstler, „Zionisten“ würden „Kritiker“ einsperren, die fragen, ob tatsächlich sechs Millionen Juden der Schoa zum Opfer gefallen seien.

Die Rothschild-Verschwörung erreichte dank des Klett-Verlages eine noch breitere Öffentlichkeit. Ein „bedauerlicher Fehler“ sei die Verbreitung dieses Abdrucks, sagt die Pressesprecherin auf Anfrage der taz. Die Gestaltung des Schulbuchkapitels habe eine externe Redaktion übernommen, mit der man mittlerweile nicht mehr zusammenarbeite. Um welche Redaktion es sich dabei handelt, könne man nicht mehr sagen. Auch auf die Frage, ob der Verlag bei der Abnahme die Illustration durchgewinkt habe, gibt die Sprecherin keine Auskunft.

Einige Tage nach der Anfrage teilt der Verlag mit, man habe den Onlinelink geändert, jede weitere Auslieferung des Buches werde eingestellt. Die Restbestände würden nun ebenfalls aus dem Verkehr gezogen. Schulen, die das Buch verwenden, erhielten eine Austauschseite. Der Verlag hat also reagiert. Gescheitert ist er aber genau an dem Punkt, den er eigentlich bei den Schülern fördern sollte: Quellen kritisch zu überprüfen.

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