Söldner-Roman von Denis Johnson: Wahrscheinlich innerlich tot

Wie fühlen Agenten, die für den Geheimdienst in Afrika unterwegs sind? Das fragt Denis Johnson in seinem Roman „Die lachenden Ungeheuer“.

Wandgemälde, die vor Sklaverei warnen

Warnungen vor moderner Sklaverei in Freetown, Sierra Leone Foto: Imago / Nature Picture Library

Von West- nach Ostafrika und zurück und dabei alles, was Afrika ist, gering schätzen und getrost ignorieren. Von Sierra Leone nach Uganda, weiter in den Kongo und abermals nach Freetown in Sierra Leone zieht es die Protagonisten in Denis Johnsons neuem Roman „Die lachenden Ungeheuer“.

Das könnte eine abwechslungsreiche Reise sein für Roland Nair, Michael Adriko und Davidia St. Clair, doch sind sie mit anderen Dingen beschäftigt: Mit Geheimdienstaufträgen und -gegenaufträgen, Urangeschäften, Militärdienstleistungen, Geldverdienen und was man sonst noch so macht, wenn man ein Teil jener zwielichtigen Sicherheits- und Spionagesphäre ist, die seit den Anschlägen von 9/11 so bedeutend wurde.

„Die lachenden Ungeheuer“ könnte genauso gut in Afghanistan spielen, im Jemen, auf den Philippinen, in Libyen, egal. Sind nur Orte, mal mehr, mal weniger sicher, mit unterschiedlichen Akteuren, deren Interessen heute so und morgen anders sein können. Johnsons Protagonisten kennen diese Orte, und ihr Innenleben entspricht der Umgebung, in der sie sich bewegen.

Diese Menschen sind unberechenbar, verschlossen, gefährlich. Man müsste sie Abenteurer nennen, wenn man damit nicht das schöne Wort Abenteuer verhunzen würde. Oder Glücksritter, aber damit würde das Glück schlecht gemacht. Sie sind Söldner im Dienst der Politkrisenindustrie. Manchmal liegt in ihrem Ermessen, mit welchen Mitteln und Methoden sie ihre Aufträge erfüllen, manchmal nicht.

Johnson begibt sich dahin, wo es wehtut: ins Innere seiner Figuren. Haben sie überhaupt Gefühle oder können sie diese ausschalten? Wenn sie zusammen unterwegs sind, ist da Freundschaft? Oder nur Konkurrenz? Wie weit reicht Loyalität? Wie vermischen sich Aufträge und Eigeninteressen? Welche Widersprüche tun sich auf?

Zurückblicken ist schlecht

Roland Nair spioniert für die Nato, mit Michael Adriko verbinden ihn Einsatzzeiten in ­Sierra Leone und Afghanistan. Adriko ist für eine andere Organisation oder in eigener Sache unterwegs, vielleicht auch beides zugleich. Davidia St. Clair ist keine Agentin, gehört aber in die Umgebung des US-Militärs in Zentralafrika. Eine Hochzeit soll arrangiert, angereichertes Uran könnte verkauft, viel Geld will verdient werden.

Nair und Adriko sind weder Helden noch Antihelden. Sie überfahren eine Frau, und Johnson schreibt aus Nairs Perspektive: „Wir würden nicht umkehren, das konnten wir nicht – nicht in Afrika, diesem harten, harten Land, wo niemand der armen Frau, die dort wahrscheinlich tot auf der Straße lag, helfen konnte und wo es kein Fehler war, davor zu flüchten. Der Fehler war, überhaupt zu ihr zurückzublicken.“

Immerhin: Ein instrumentelles Verhältnis zum Leben ist mehr als nichts; da ist etwas, das unter Umständen abgerufen werden kann

Dieser Satz bündelt viele Pauschalisierungen Nairs, die, weil wir sonst nicht viel von ihm erfahren, wohl als Empfindungen durchgehen müssen: Der gesamte afrikanische Kontinent ist ein „hartes“ Land. Niemand hilft dem anderen. Verantwortungslos abhauen ist gut. Zurückblicken ist schlecht. Und: Die Frau ist wahrscheinlich tot. Aber ist sie das wirklich?

Sie hat halt tot zu sein, damit Nairs Verhältnis zu den vielfältigen Aspekten des Lebens instrumentell bleiben kann – von der Liebe bis zum Hass und vom Sex bis zum Töten. Immerhin: Ein instrumentelles Verhältnis zum Leben ist mehr als nichts; da ist etwas, das unter Umständen abgerufen werden kann.

Denis Johnson: „Die lachenden Ungeheuer“. Aus d. Englischen von Bettina Abarbanell. Rowohlt, Reinbek 2017, 272 Seiten, 22,95 Euro

Denis Johnson ist einer der bedeutendsten US-Autoren der Gegenwart. Er zeigt, was bei Geheimdienstbütteln wann und unter welchen Umständen abgerufen wird. Viel ist es nicht. Sind sie innerlich tot? Wahrscheinlich. Ist der Roman uninteressant, weil man genau das erwarten konnte? Nein. Ist er erhellend? Leider auch nicht.

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