Kommentar Einigkeit von CDU und CSU: Das Dilemma der CSU

In der Union herrscht Harmonie. Denn mit Martin Schulz ist vorstellbar geworden, was lange undenkbar war: eine Regierung ohne CDU/CSU.

Angela Merkel und Horst Seehofer sitzen nebeneinander

Jetzt wird wieder gemeinsam gelacht: CDU-Chefin Merkel mit CSU-Chef Seehofer Foto: dpa

In der Union herrscht offenbar neue Harmonie. Die Zeiten, als Seehofer die Kanzlerin als Herrscherin eines Unrechtsstaats diffamierte, sollen vorbei sein. Der CSU-Chef bekundet nun treuherzig, dass CDU und CSU „in allen politischen Fragen übereinstimmen“. Das zeigt Einsicht ins Notwendige. WählerInnen mögen keine Regierungsparteien, die sich aufführen wie Schulhofschläger. Und mit Martin Schulz ist zumindest vorstellbar geworden, was bisher undenkbar war: eine Regierung ohne Union.

Merkel, die Unanfechtbare, erscheint aus zwei Gründen verletzbar. In der Mitte, dem mythischen Ort der bundesrepublikanischen Demokratie, macht sich nach zwölf Jahren zarter Überdruss bemerkbar. Eine Bundestagswahl, deren Siegerin nicht schon vorher feststeht, wäre zur Abwechslung ja auch wieder ganz schön. Zudem möchte man gern einfach mal andere Gesichter sehen. Das ist banal, kann aber, wie Helmut Kohls Niederlage 1998 zeigte, eine Rolle spielen.

Vor allem aber attackiert die SPD mit Martin Schulz zielsicher und befreit von Koalitionszwängen den Schwachpunkt der Union – das Doppelspiel von Merkel und Seehofer. Die CDU bespielt mittig und weltoffen das liberale, städtische Bürgertum. Und die CSU hofiert Autokraten wie Putin und hält den rechten Rand bei Laune. Diese seit der Flüchtlingskrise etablierte Inszenierung rechnete sich bisher für beide. Der CSU verschafft sie die Aussicht, in Bayern die AfD einzuhegen, Merkel gilt nördlich von Würzburg als Garantin antipopulistischer Vernunft.

Das CSU-Dilemma: Merkel-Fan werden – oder weiter den Springteufel spielen?

Der hektische Versuch der Union, jetzt auf Biegen und Brechen Einigkeit zu demonstrieren, zeigt, dass dieses Spiel ausgereizt ist. Die Inszenierung wirkt nur so lange, wie sie mit dem nötigen Ernst vorgetragen und vom Publikum nicht für ein taktisches Manöver gehalten wird. Wenn nun künftig Markus Söder den Haudrauf in München gibt und Seehofer den gereiften Staatsmann, ist das eine zu offenkundige Rollenverteilung.

Die CSU steht vor einem strategischen Dilemma. Soll man plötzlich zum loyalen Merkel-Fan werden – oder, ausgerechnet im Wahlkampf, weiter den Springteufel spielen? Der Versuch, einfach beides zu tun, ist nicht aussichtsreich. Bei der Europawahl 2014 scheiterte die CSU mit dem Plan, gleichzeitig seriös und rechtspopulistisch aufzutreten – und verlor in der Mitte und am Rand. Das kann noch interessant werden.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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