Windkrafträder in Deutschland: Fledermäuse sind krasse Opfer

2016 wurden über 1.600 neue Windräder gebaut – das Bundesamt für Naturschutz fordert jetzt, mehr Rücksicht auf Flora und Fauna zu nehmen.

Ein Mann hält eine Fledermaus

Safety first – gilt auch für diese Fledermaus Foto: dpa

FREIBURG taz | Sie heißen Mopsfledermaus, Zwergfledermaus oder Kleiner Abendsegler – 25 Fledermausarten gibt es in Deutschland, das Bundesamt für Naturschutz (BfN) will die Flugsäugetiere künftig besser vor Windrädern schützen. Experten haben dazu mehrere Jahre untersucht, wie sich Fledermäuse in der Nähe der Rotoren verhalten. Sie empfehlen, in bestimmten Gebieten keine Anlagen mehr zu errichten und bestehende Windmühlen zu bestimmten Zeiten abzuschalten.

Hintergrund ist der weiterhin zügige Ausbau der Windkraft in Deutschland. Im Jahr 2016 wurden in Deutschland 1.624 Windkraftanlagen an Land errichtet, wie die Branche gestern mitteilte. Naturschützer sehen es kritisch, dass immer mehr Maschinen im Wald gebaut werden, nachdem die Türme inzwischen so groß geworden sind, dass Forstflächen in aerodynamischer Hinsicht kein Hindernis mehr darstellen. Von den aktuell gut 27.000 Windrädern in Deutschland stehen rund fünf Prozent in Wäldern.

Weil dort viele Fledermäuse leben, könne der Bau von Anlagen dort zur Beeinträchtigung der Tierpopulationen führen, heißt es aus dem BfN. Eine sorgfältige Standortauswahl sei daher wichtig. Ausgeschlossen werden sollten alte Laub- und Laubmischwälder mit einem Bestandsalter von über 100 Jahren, naturnahe Nadelwälder und Wälder in Natura-2000-Gebieten. Der Bundesverband Windenergie (BWE) entgegnete daraufhin, in alten Wald­beständen würden schon heute keine Anlagen errichtet.

Dennoch schätzt das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin, dass an den Windkraftanlagen in Deutschland jährlich rund 250.000 Fledermäuse getötet werden. Diese Zahl basiere auf Hochrechnungen von Schlag­opfern, die an Windkraftstandorten gefunden wurden. Der BWE unterdessen kritisiert, die Zahl sei „in keiner Weise belegt“.

„Potpourri aus Gefahren“

Die Fledermäuse sind auch durch Verkehr, Landwirtschaft und deren Insektizide sowie durch die intensive Forstwirtschaft gefährdet. Vergleichszahlen, wie viele Tiere dadurch sterben und wie viele durch die Windkraft, gibt es aber nicht. Die Tiere litten unter einem „Potpourri aus Gefahren“, sagt Christian Voigt vom IZW – nur für die Windkraft ist die Zahl der getöteten Tiere bekannt.

Die 25 deutschen Fledermausarten sind allesamt nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt. Stark gefährdet sind laut BfN insbesondere jene Arten, die fast ausschließlich auf den Wald als Lebensraum angewiesen sind. Aufgrund der Intensivierung der Forstwirtschaft seien geeignete Lebensräume für die Fledermäuse immer seltener.

Bei der Planung von Windkraftanlagen im Wald sollten daher nach Vorschlag des BfN grundsätzlich umfangreiche Voruntersuchungen zum Fledermausschutz getätigt werden. Dem wiederum entgegnet der BWE mit dem Hinweis, es gebe ohnehin „heute kaum noch ein Projekt, in welchem im Genehmigungsverfahren keine natur- oder artenschutzrechtlichen Auflagen getroffen werden“.

Knapp ein Viertel Wachstum

Basierend auf seinen Untersuchungen regt das Bundesamt außerdem Abschaltzeiten an. Wenn im Sommerhalbjahr in der Zeit vor Sonnenuntergang bis nach Sonnenaufgang die Temperaturen über 10 Grad und zugleich die Windgeschwindigkeiten unter 6 Meter pro Sekunde liegen, sollten die Anlagen abgestellt werden. Der durchschnittliche Ertragsverlust aufgrund solcher Abschaltalgorithmen liege bei lediglich 2,1 Prozent des Jahresertrags, rechnet die Behörde vor.

Die deutsche Windbranche konnte unterdessen gestern auf ein erfolgreiches Jahr 2016 zurückblicken. Die neu errichteten Anlagen bringen es auf eine Leistung von 4.625 Megawatt, zieht man abgebaute Anlagen ab, bleiben 4.259 Megawatt. Das entspricht einem Wachstum gegenüber dem Vorjahr von knapp einem Viertel.

Auch für die Übergangsjahre 2017 und 2018 erwartet die Branche noch einen starken Zubau. Sie rechnet für 2017 mit 4.500 bis 5.000 Megawatt und für 2018 mit 3.000 bis 3.500 Megawatt. 2019 werden dann erstmals nur noch Projekte umgesetzt, die sich in Ausschreibungen behaupten konnten. Damit könnte der jährliche Neubau unter 2.800 Megawatt fallen.

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