Kanzlerin vorm Untersuchungsausschuss: Nichts sehen, nichts sagen

Angela Merkel sieht kein Versäumnis der Behörden beim Umgang mit dem VW-Abgasskanal. Das sagte sie als Zeugin vor dem Untersuchungssausschuss.

Angela Merkel spricht vor einem großen VW Zeichen auf einer Veranstaltung des Autokonzern

Angela Merkel, 2008 auf einer Betriebsversammlung von VW in Wolfsburg Foto: ap

BERLIN taz | Ulrich Lange wusste es vorher. Der Obmann der Union im Untersuchungsausschuss des Bundestags vermeldete schon am Tag vor der Vernehmung der Kanzlerin, es werde nichts Neues geben. Die Bundesregierung habe auf den Skandal „sehr schnell reagiert“. Es würde ihn „überraschen, wenn die Befragung der Kanzlerin nun etwas anderes ergäbe“.

Seine Kanzlerin überraschte ihn nicht. Bei ihrem Auftritt am Mittwoch als Höhepunkt und Ende der Zeugenbefragung trug Angela Merkel nur Details zur Aufklärung des Dieselskandals bei. Sie habe „volles Vertrauen“ in die Arbeit ihres CSU-Verkehrsministers Alexander Dobrindt, sieht keine Versäumnisse bei den deutschen Behörden und findet deutsche Autos „vom Grund her umweltfreundlich“. Ein „Staatsversagen“, wie es die Opposition sieht, wies sie zurück. „Wir hatten keinen Skandal, VW hatte einen Skandal.“

Merkel stand dem Ausschuss den Nachmittag über Rede und Antwort. Sobald die Fragen schärfer wurden, wurden ihre Antworten einsilbig. Sie erinnerte daran, dass die hohen Werte beim Stickstoff in den Abgasen der Motoren eine Folge der Minderung bei den CO2-Emissionen waren. „Man kann nicht beides haben“, sagte die Physikerin Merkel. Die Dieselmotoren seien jahrelang „auch von uns und auch international“ als Maßnahme zum Klimaschutz angepriesen worden.

Das sei auch der Hintergrund ihrer Bemerkung in Kalifornien 2010: Bei einem Treffen mit dem damaligen Gouverneur Arnold Schwarzenegger hatte Merkel der Chefin der Umweltbehörde CARB vorgeworfen, die strikten Stickstoff-Grenzwerte in den USA „schaden unseren Dieseln“. Merkel nun vor dem Ausschuss: Sie habe darauf hingewiesen, dass mit diesen scharfen Grenzwerten für Stickoxide der Diesel als Chance ausfalle, die Kohlendioxidemissionen zu senken – die in Kalifornien immerhin 50 Prozent der Klima-Emissionen ausmachen.

Niemand wusste vom VW-Betrug

Merkel erschien am Ende einer Reihe von 56 Zeugen und 13 Sachverständigen, die das Gremium seit Herbst gehört hatte. Die Frage: „Wann wusste die Regierung was?“, wurde von den meisten Befragten so beantwortet: Niemand wusste von dem VW-Betrug, bis er im September 2015 ans Licht kam. Alle Verdachtsmomente waren Behörden und Politik nicht konkret genug. Die Behörden sahen weder Anlass noch rechtliche Grundlage für eigene Ermittlungen.

Die ganze Geschichte des Untersuchungsausschusses: taz.de/!5385948/

Merkel lehnte es auf Anfrage ab, nach dem Dieselskandal Konsequenzen bei deutschen Behörden wie dem Kraftfahr-Bundesamt KBA zu ziehen: „Ich kann nicht erkennen, dass Bundesbehörden falsch gehandelt haben.“ Allerdings äußerte sie sich deutlich kritischer zu den Tricksereien der anderen Hersteller durch sogenannte „Thermofenster“, mit denen die Abgasnormen für Stickoxide umgangen werden – ob legal oder illegal, ist noch umstritten.

Merkel kritischer als Untersuchungsausschuss

Merkel meinte hier: „Es kann nicht sein, dass grundsätzlich bei bestimmten Temperaturen abgeschaltet wird. Das ist kein Motorschutz.“ Da ist Merkel deutlich kritischer als das Verkehrsministerium und die Mehrheit im Untersuchungsausschuss, die in den „Thermo­fenstern“ kein größeres Problem entdecken können.

Merkel antwortete ruhig und souverän auf die Fragen der Abgeordneten – die sich allerdings in den Reihen der Großen Koalition mit ihrer Neugier auch sehr zurückhielten. Warum sie die Aufklärung des Dieselskandals nicht zur Chefsache gemacht habe, fragten die Grünen.

„Das ist mein Verständnis von Ressortzuständigkeit“, antwortete die Kanzlerin kühl. Allerdings hatte sie vorher lang und breit darüber geredet, wie sehr sie etwa auf der EU-Ebene sich auch persönlich um die Belange der Autoindustrie kümmert.

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