Saarlands Ministerpräsidentin: Die stille Reserve der Kanzlerin

Annegret Kramp-Karrenbauer hat das Merkel-Prinzip perfektioniert. Sie führt das Saarland nüchtern und effektiv. Reicht das für eine Wiederwahl?

Eine Frau vor einem Wahlplakat. Es ist Annegret Kramp-Karrenbauer

Die CDU-Politikerin vor ihrem Wahlplakat in Saarbrücken Foto: dpa

Im Flugzeug trifft sie manchmal Sahra Wagenknecht, wenn Annegret Kramp-­Karrenbauernach Berlin oder Saarbrücken fliegt. Beide wohnen im Saarland, beide haben zu tun in der Hauptstadt. Kramp-Karrenbauer muss zur Präsidiumssitzung in die CDU-Zentrale, Wagenknecht in den Bundestag, ihre Fraktion zu­sammenhalten. „Bei den kleineren Maschinen sehen wir uns immer“, erzählt Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Mundwinkel der Ministerpräsidentin zucken amüsiert. Die Pointe: In den größeren Maschinen können sie und Wagenknecht sich nicht treffen. Wagenknecht fliegt Business. Annegret Kramp-Karrenbauer nicht. Nie.

Diese Geschichte beschreibt recht gut das Amtsverständnis der Annegret Kramp-Karrenbauer, im Saarland AKK genannt. Effektiv, uneitel, „von großer Gelassenheit“, wie der ­Cicero 2014 schrieb. Damals ging es um die Nachfolge im Kanzleramt, Kramp-Karrenbauer galt als „Merkels Nummer eins“. Auch weil sich der Stil der beiden Politikerinnen verblüffend ähnelte.

Knapp drei Jahre später geht es einzig um den Machterhalt – an der Saar und an der Spree. Kramp-Karrenbauer will am 26. März wieder Ministerpräsidentin werden, Merkel im September Bundeskanzlerin. Aber jetzt haben beide Frauen das gleiche Problem. Sie könnten die Wahlkampfopfer von Martin Schulz werden.

Seit der Würselener aufgetaucht ist, trennen im Saarland CDU und SPD nur noch drei ­Prozentpunkte, im Bund nur noch einer. Verliert in zwei ­Wochen Kramp-­Karrenbauers CDU das Saarland, könnte sich ein Virus auf den Weg machen: das Saarland Ende März, Schleswig-Holstein und ­Nordrhein-Westfalen im Mai, die Bundestagswahl im September.

Im Wahlkampf eine Getriebene

An der Saar steht zudem die Frage im Raum, ob die Wähler in Zeiten erhöhter innen- und außenpolitischer Schlagzahl tatsächlich noch eine Merkel 2.0 in der Staatskanzlei sehen wollen – oder lieber die zupackende SPD-Kandidatin Anke Rehlinger und den eitlen Linken Oskar Lafontaine. Es könnte knapp für Rot-Rot reichen.

Kramp-Karrenbauer hat sich frühzeitig für die Fortsetzung der Großen Koalition ausgesprochen, das macht sie im Wahlkampf zur Getriebenen. Dabei kann sich ihre Regierungsarbeit sehen lassen. Sie hat den Landeshaushalt saniert und beim Länderfinanzausgleich mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble eine Sonderzahlung ausgehandelt: jährlich 500 Millionen Euro ab 2020. „Da will ich jetzt auch die Weichen stellen, dass mit dem Geld was Vernünftiges gemacht wird“, sagt Kramp-Karrenbauer auf die Frage, warum sie sich das Amt noch einmal zumuten will.

Erreichtes herausstellen – das ist es, was Annegret Kramp-Karrenbauer in den zwei Wochen bis zur Wahl noch tun kann. Einen frischen Politikbegriff anbieten – das haben derzeit die Sozis mit Anke Rehlinger exklusiv. Die, eine ehemalige Kugelstoßerin, ist schon habituell von ganz anderem Kaliber.

Begleitet man Kramp-Karrenbauer im Wahlkampf, wirkt es, als rede da im saarländischen Singsang eine freundliche Frau aus der Nachbarschaft auf die Leute ein. Wenn sie sich konzentriert – fast ständig –, schaut sie ernst. Wenn sie sich stark konzentriert, suchen ihre Augen die Decke ab. Auf den Wahlplakaten – „Zusammen. Weiter. Voran.“ – schaut sie fast schon besorgt. Absicht, erklärt sie. „Wir leben nicht gerade in Trallalazeiten.“

Nüchtern, sachlich wie ihre Parteivorsitzende. Die beiden verstehen sich ziemlich gut, duzen einander, halten per SMS Kontakt. Sie brauche nicht jeden Tag eine Rückmeldung der Kanzlerin, sagt Kramp-Karrenbauer. „Aber wenn was zu besprechen ist, melde ich mich, oder sie meldet sich.“

Druck vom rechten Parteiflügel

Um Merkels Nachfolge anzutreten, müsste Annegret Kramp-Karrenbauer sich nicht mehr beweisen. Sechs Jahre gute Ministerpräsidentschaft in einem klammen Land, zuvor elf Jahre Landesministerin, auf CDU-Parteitagen regelmäßig klasse Wahlergebnisse zum Präsidium – das sind gute bis sehr gute Voraussetzungen, um, sagen wir zur Mitte der kommenden Legislaturperiode, das Kanzleramt zu übernehmen. Aber so einfach ist es nicht mehr. „Die Chefin“, wie Merkel in der CDU genannt wird, ist angeschlagen. Sie wird von Horst Seehofer gedemütigt. Der rechte Parteiflügel respektiert sie nicht länger. Jüngere CDUler bringen sich in Stellung für den Tag, an dem Merkel aufgibt. Wenn sie, vielleicht, die Wahl verliert. Eine zweite Merkel, eine wie Annegret Kramp-Karrenbauer wäre dann nicht mehr gefragt.

Ihr ist das durchaus bewusst. „Politik unterliegt gewissen ­Moden“, sagt sie. In den letzten elf Jahren sei es als gut für Deutschland empfunden worden, „dass jemand ruhig und überlegt, sich selbst als Person zurücknehmend, dieses Land führt“. Man solle sich aber nicht täuschen und zurückgenommenes Auftreten dahin missdeuten, „diese Person sei nicht in der Lage, mit harter Hand zu regieren“. Ihre Sprecherin, die zuhört, nickt.

Sich selbst bezeichnet Kramp-Karrenbauer als moderne Konservative, sozialpolitisch eher zum linken Flügel gehörend, gesellschaftspolitisch zum rechten; eine jener CDU-Frauen, die gegen die Homo-Ehe sind, sich aber für Frauenquote und gute Kitabetreuung einsetzen.

Dieser konservative Pragmatismus rührt aus ihrer Biografie. Die Lehrerstochter, fünftes von sechs Kindern, hat selbst drei Kinder. Ursprünglich wollte sie Hebamme werden. Es wurden dann: Politik und Jura. Nach dem Abitur trat sie in die CDU ein, „auch wegen des C im Namen“, ihr politisches Vorbild ist die einstige CDU-Familienministerin Rita Süssmuth.

Soziale Kühle à la CDU

Ihr Mann, ein Bergbauingenieur, hat für die Politikkarriere seiner Ehefrau den Beruf aufgegeben, mit dem jüngsten Sohn, einem Hund und fünf Schildkröten („das sind faszinierende Tiere“) lebt das Paar in Püttlingen bei Saarbrücken. „Ein ganz normales Einfamilienhaus“ hätten sie da, erzählt Kramp-Karrenbauer, „ohne Zaun, ohne Türmchen, ohne Sicherheitsabstand“. Jährlicher Höhepunkt des Dorflebens: das Rockfestival „Rocco del Schlacko“ an einer ehemaligen Abraumhalde. Da schlappt sie dann rüber und freut sich über die Songs der Sportfreunde Stiller.

Alles also stinknormal, stünde da nicht täglich ein schwarzer Dienstwagen in der Hauseinfahrt. Was dieser Frau abgeht, ist jene auftrumpfende Selbstsicherheit und soziale Kühle à la CDU, die in politisch bewegten Zeiten wieder Konjunktur hat.

Annegret Kramp-Karrenbauer hat das Mitte-Merkel-Prinzip perfektioniert: viel arbeiten und wenig erklären. Genau das könnte ihr am Wahlsonntag zum Verhängnis werden.

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