Minderjährige straffällige Flüchtlinge: Lieber mehr Videos

Rot-Grün beendet die Debatte um die geschlossene Unterbringung junger Flüchtlinge – und setzt auf andere Law-and-Order-Maßnahmen.

Mast mit vier Videokameras

Der Innensenator möchte die Videoüberwachung „in die Breite bringen“ Foto: dpa

BREMEN taz | Die Planungen für ein geschlossenes Heim für geflüchtete Jugendliche werden eingestellt. Das hat der rot-grüne Senat gestern beschlossen. Der Grund: Anders als vor zwei Jahren gebe es dafür keinen Bedarf mehr. Zugleich will Bremen sich mit „aller Härte“ denen widmen, „die uns in dieser Stadt Probleme bereiten“, sagte Justizsenator Martin Günthner (SPD).

Mit dem nun gesparten Geld – die Rede ist von etwa zehn Millionen Euro – will Innensenator Ulrich Mäurer nun anderweitig „aufrüsten“: Er möchte die Videoüberwachung „in die Breite bringen“ und dem Verfassungsschutz mehr Mittel geben, um jene zu beobachten, die er für „Gefährder“ hält. „Das ist mir wichtiger“, so der SPD-Politiker.

„Überforderte“ Jugendhilfeeinrichtungen

2015 gab es laut Polizei etwa 25 bis 30 minderjährige Geflüchtete in Bremen, die wiederholt durch Raub, Diebstahl oder Widerstand gegen Polizisten auffielen. Sie kamen überwiegend aus den Maghreb-Staaten und waren teilweise als Straßenkinder aufgewachsen, drogenabhängig und kriegstraumatisiert. Die Bremer Jugendhilfeeinrichtungen waren mit ihnen „überfordert“, glaubt Mäurer.

In ihrem Koalitionsvertrag verabredeten SPD und Grüne deshalb 2015, „schnellstmöglich eine fakultativ geschlossene Einrichtung“ zu schaffen. Bremen plante sie gemeinsam mit Hamburg. Der dortige Senat habe „nicht erfreut, aber gefasst“ auf die Bremer Entscheidung reagiert, sagte die grüne Sozialsenatorin Anja Stahmann.

Die Planungen für ein Heim im Blockland erwiesen sich als mühsamer und teurer als gedacht, zudem werden jugendliche Geflüchtete seit dem Herbst 2015 auf alle Bundesländer verteilt. Zuvor mussten sie dort betreut werden, wo sie gerade ankamen, und das waren vielfach die Großstädte.

Nur noch drei potenzielle Insassen

Heute gäbe es in Bremen maximal noch drei Minderjährige, die für eine geschlossene Unterbringung infrage kämen – und etwa 1.800 unbegleitete Flüchtlingsjugendliche. Ein Teil der Betroffenen lebt nun anderswo oder wurde inzwischen volljährig. Jugendliche darf man nach europäischen Recht nicht abschieben.

Der Innensenator will nun Polizei, Justiz und Geheimdienst „aufrüsten“

Alle jene aber, die mittlerweile 18 sind und in Haft sitzen, will Mäurer „kontinuierlich“ abschieben, etwa nach Marokko. Die Innenbehörde hatte zuletzt 41 „nordafrikanische Intensivtäter“ auf der Liste, die „nach Hause geschickt“ werden sollen. 2016 schob Bremen 77 Menschen ab. Er setze weiter auf eine „freiwillige Ausreise“ von Geflüchteten, so Mäurer. Auch solle derzeit niemand nach Afghanistan abgeschoben werden.

Zu der von Rot-Grün nun offiziell festgestellten „neuen Sachlage“ gehört auch, dass es mittlerweile mehr Angebote für delinquente Jugendliche in Bremen gibt. So sei beispielsweise die Straßensozialarbeit „massiv ausgebaut“ worden, sagte Stahmann. Zudem sollen sechs neue Stellen im Justizvollzug geschaffen sowie Sprach-, Sport- und Beschäftigungsangebote in Haft ausgebaut werden. Auch drei Erzieher werden eingestellt.

Heftige Kritik kommt von der CDU: Sie findet es „dreist“, wegen eines innerkoalitionären Dissenses die Probleme „einfach auszusitzen“ und Versprechen nicht einzuhalten.

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