Internationaler Frauentag: Brief an die Tochter

Wie erkläre ich der Dreijährigen den Frauentag? Ich muss es gar nicht. Sie hat den selbstbewussten Feminismus schon verinnerlicht.

Zwei gekreuzte Holzschwerter

Sei eine Ritterin Foto: photocase/sör alex

Liebe Tochter,

heute Morgen nach dem Aufstehen haben wir uns – noch im Pyjama – über den Frauentag unterhalten. Weil Du erst knapp drei Jahre alt bist, musste ich kurz darüber nachdenken, wie ich Dir erkläre, was das ist, der Frauentag. Denn machen wir uns nichts vor: Er ist zunächst mal ziemlich abstrakt.

„Das ist ein wichtiger Tag heute“, habe ich gesagt. „Warum?“, hast Du gefragt, war der Morgen doch so wie die allermeisten unserer gemeinsamen Morgen. „Frauentag bedeutet, dass Du alles schaffen kannst, was Du willst“, hab ich gesagt. Du hast genickt. „Und er bedeutet, dass Dir niemand sagen darf, dass Du das nicht schaffst“. Du hast wieder genickt, als wäre das keine Neuigkeit für Dich. Du weißt zwar nicht, was Feminismus ist, bist aber eine seiner größten Verfechterinnen.

Denn in Deinem Wesen und Verhalten hast Du schon lange verstanden, was es bedeutet und brauchst gar keine feierliche Ansprache Deiner Mutter. Du machst Dein Ding. Jeden Tag. Du bist das selbstbewussteste kleine Mädchen, das ich kenne, und scherst Dich regelmäßig einen Dreck drum, was andere über Dich denken. Du gehst zum Fasching als Ritterin, mit improvisiertem Umhang, Schwert und Ritterhaube Deines großen Bruders. Du machst das, weil es für Dich völlig normal ist. Du diskutierst mit mir, weshalb Du nicht im Stehen pinkeln kannst. Auf Kleider und Röcke hast Du keine Lust. Du erklärst den Großen gern die Welt. Und das sehr überzeugend. Du willst Dich immer selbst anziehen. Du wehrst Dich, wenn irgendwer etwas macht, das Dir gegen den Strich geht. Du sagst, was Du willst. Denn Du bist ganz bei Dir und bist für Dich selbst der wichtigste Mensch im Universum.

Rechtspopulisten wollen uns einheitlich und schwach: als deutsche, heterosexuelle Frau und Mutter. Wir halten dagegen: Wir sind People of Color, muslimisch, migrantisch. Wir sind hetero, queer, divers. Wir sind viele. Und wir sind stark.

Lesen Sie am 8. März 11 Sonderseiten der taz zum Internationalen Frauen*tag. Mit Texten u.a. von und mit: Christa Wichterich, Hengameh Yaghoobifarah, Amina Yousaf, Judy Gummich.

Manchmal bringst Du mich damit an den Rand des Wahnsinns. Aber ich liebe Dich dafür und bewundere Dich. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass Du in Deinem Leben den Mut haben wirst, „Nein“ zu sagen. Zum Beispiel wenn Dir in der Zukunft jemand auf den Hintern haut und sich dabei auch noch heldenhaft fühlt. Ich glaube fest daran, dass Du Forderungen stellen wirst. Ganz selbstbewusst. Weil es für Dich ganz normal sein wird, Dir zu nehmen, was Dir zusteht. Das wird mir nicht immer schmecken und vielleicht verzweifel ich auch das ein oder andere Mal. Aber das ist es wert.

Happy Frauentag, Liebes!

Deine Mama

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Dieser Text ist Teil der Sonderausgabe zum feministischen Kampftag am 8. März 2024, in der wir uns mit den Themen Schönheit und Selbstbestimmung beschäftigen. Weitere Texte finden Sie hier in unserem Schwerpunkt Feministischer Kapmpftag.

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