zwischen den rillen
: Sofasurfen im anderen Zuhause

Wallis Bird: „Home“ (Mount Silver/Caroline International/Universal)

Kurz nach ihrem 35. Geburtstag steht Wallis Bird auf der Bühne des Heimathafens in Berlin-Neukölln. Einen passenderen Ort, um ihr neues Album „Home“ vorzustellen, gibt es nicht: Um die Ecke des alten Ballsaals liegt ihr Zuhause. „Home 2“, wie sie Berlin nennt. Schüchtern wirkt sie, trotz Weinglas in der Hand. So schleicht sich die irische Musikerin auf die Bühne, erfreut ob der vielen Zuschauer. Das Einmetersechzig-Energiebündel ist ruhig. Und doch brodelt es in ihr, genau wie in den Songs ihres neuen Albums, die von Liebe handeln, vom Nachhausekommen und von Verletzlichkeit.

„Home“ ist bereits das fünfte Studioalbum der Wahlberlinerin. Seit ihrem letzten Lebenszeichen sind allerdings zwei Jahre vergangen. Zuvor sei sie zu viel unterwegs gewesen, musste für die neuen Songs erst Energie tanken. Ihre Partnerin forderte sie schließlich dazu auf, sich fallen zu lassen, beschreiben, was ihr dazu einfällt. „All I ever wanted was to settle down / And to sit on a sofa“, beginnt Bird im Titelsong „Home“ mit gewohnt gebrochener, doch zielgerichteter Stimme zu singen. „Home“ ist ein Album über Geborgenheit, eine Musik gewordene Liebeserklärung. Geografisch hat Wallis Bird zwei Zuhause – das ihrer Kindheit, Wexford in Irland, und eben „Home 2“, Berlin und die Liebe.

In einer Zeit, in der viele Menschen sich überhaupt ein Zuhause wünschen, ihre Heimat verlassen müssen oder, durch die rasante Entwicklung der Großstädte aus ihren Wohnungen und Vierteln verdrängt werden, veröffentlicht die irische Musikerin ein Werk mit dem Titel „Home“. Doch obwohl sie, wie sie sagt, sich stark von der Umgebung beeinflussen lässt, sei es keine Ode an ihre Wahlheimat.

Es ist vielmehr eine ambivalente Auseinandersetzung mit ihrer Biografie. Ein Nachhausekommen, das mit dem Zu-sich-selbst-Finden gleichzusetzen ist. Kraft und Energie aus sich herauszuholen. Ganz unabhängig davon, wo sie auf der Bühne ist. Das hat Wallis Bird also die letzten zwei Jahre gemacht. Und das klingt bereit im ersten Titel „Change“ an.

Ein wiederkehrender elektronischer Beat aus dem Nichts kommend, dreifache Piano­akkorde, leicht schleppend, leicht rhythmisiert, die sich später verzerren und übereinander liegen, gemischt mit der Geige ihres Mitmusikers Sam Vance-Law. Und dann setzt sie ein: „Waited all my life for this / The moon and the sun / what will be, will always come“. Rhythmisch zur Musik verschoben, zerrt dieser Song am Zuhörer. Man hat das Gefühl, den Weg zu spüren, den sie gehen musste. „All I am supposed to do, hold my darkest light.“ Es ist, als löse sich ein Klumpen im Magen. Ein Gefühl, das durch das ganze Album trägt. Komponierte Bird früher in starken lauten Songs gegen Frust und Depression an, weiß sie heute, dass sie sich auch leise und zerbrechlich stark fühlen kann. Mut zum Minimalismus. Wobei Wallis Bird den irischen Folksong immer noch in sich trägt. Den Einfluss des elektronischen Dancefloor, wie er ihr in Berlin zunächst imponierte, hat sie dieses Mal größtenteils ignoriert. Stattdessen dieses Mal den Synthesizer entdeckt, während die akustische Gitarre keine Berücksichtigung fand. Entstanden sind die neuen Songs sind am Piano. Wallis Bird bleibt dabei unverwechselbar. Das ist wohl die Magie, die auf ihren Konzerten zu spüren ist. Das und die Symbiose ihrer versierten Begleitmusiker Aidan, Emma Greenfield und Sam Vance-Law. Wallis Bird wirkt mit „Home“ glaubwürdig. Als käme man ihr mit diesem Album ein Stück näher. Vera Urweider

Live: 18. 4. Jena, 19. 4. Dresden, 20. 4. Freiburg, 21. 4. Konstanz