Kommentar Schäuble und Griechenland: Gratiswerbung für die AfD

Mit seiner kontraproduktiven Austeritätspolitik verspielt Wolfgang Schäuble international seinen Ruf. In Deutschland stärkt er die euroskeptische AfD.

Wolfgang Schäuble guckt skeptisch und trägt eine rosa Krawatte

Wenn die AfD bei der Bundestagswahl zulegt, könnte das auch Schäubles rigider Griechenland-Politik geschuldet sein Foto: reuters

Es ist erstaunlich: Die Union macht den gleichen Fehler zweimal. Wieder stärkt sie kurz vor einer Bundestagswahl die AfD – indem sie die Eurokrise katastrophal managt. Statt diplomatisch hinter den Kulissen zu agieren, wird jeder Konflikt mit den Euro-Krisenländern lustvoll inszeniert. Vor allem Griechenland wird permanent gegängelt.

Bei den Wählern muss sich der Eindruck aufdrängen, dass der Euro nicht funktioniert, was Gratiswerbung für die AfD ist. Sie hat einst als Anti-Euro-Partei begonnen, und seitdem die „Flüchtlingskrise“ eher undramatisch wirkt, kommt das alte Thema sehr gelegen.

Besonders schön für die AfD: Das Thema Eurokrise wird garantiert nicht verschwinden, denn Finanzminister Schäuble hat sich in eine Falle manövriert. Er möchte unbedingt, dass sich der Internationale Währungsfonds (IWF) an den Rettungsprogrammen für Griechenland beteiligt. Gleichzeitig will er aber einen Schuldenschnitt vermeiden, den der IWF schon seit Jahren fordert. Denn für alle Experten ist offensichtlich, dass Griechenland seine Kredite nicht zurückzahlen kann.

Ihr taktisches Dilemma wird die Union auch in dieser Woche quälen: Ab Montag ist IWF-Chefin Christine Lagarde für zwei Tage in Berlin und wird mehrfach mit Kanzlerin Merkel zusammentreffen. Es ist abzusehen, dass sich die beiden Damen darauf einigen werden, uneinig zu sein, was den Schuldenschnitt für Griechenland angeht. Doch damit ist das Thema nicht etwa vom Tisch – sondern auf der nächsten Tagesordnung des nächsten Gipfels.

Für Experten ist offensichtlich, dass Griechenland seine Kredite nicht zurückzahlen kann

Auch aus Griechenland selbst kommen schlechte Nachrichten für Schäuble: Er konnte zwar durchsetzen, dass das Land bis 2020 rigide spart – aber die Wirtschaft schwächelt erneut. Mit dieser kontraproduktiven Austeritätspolitik verspielt Schäuble international seinen Ruf, und in Deutschland stärkt er die AfD. Was für eine traurige Bilanz.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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