Unfreiwillige Feuerwehr in Aurich: Die Pflicht, zu retten

Weil im Kreis Aurich freiwillige Feuerwehrleute wegen der Zentralisierung ihrer Wache austreten, droht den EinwohnerInnen eine Pflichtmitgliedschaft

Ein Feuerwehreinsatz

Hat vielfältige Aufgaben: freiwillige Feuerwehr Foto: dpa

HANNOVER taz | Feuer löschen, Katzen aus Bäumen retten oder Verletzte bei Verkehrsunfällen bergen könnte für BürgerInnen in der Samtgemeinde Brookmerland im Norden Niedersachsens bald zur Pflicht werden. Denn 16 der 39 freiwilligen Feuerwehrleute in der örtlichen Wache in Upgant-Schott haben ihr Ehrenamt aus Protest an den Nagel gehängt. Sie wollen verhindern, dass die fünf Wachen der Samtgemeinde im Landkreis Aurich aus Kostengründen zusammengelegt werden. Weil ihre Wache damit aber an der Mindestgruppenstärke kratzt, könnte bei weiteren Austritten die Pflichtmitgliedschaft für Einwohner drohen.

Nach dem niedersächsischen Brandschutzgesetz könnten in so einem Fall Frauen und Männer zwischen 18 und 55 Jahren zum Feuerwehrdienst herangezogen werden – ähnlich wie bei Wahlhelfern. Der stellvertretende Samtgemeindebürgermeister Gerhard Evers hofft, dass es in Upgant-Schott nicht dazu kommt. „Wir wollen mit den Wehren sprechen“, sagt er. Nur anbieten kann er den wütenden Feuerwehrleuten wenig. Der Neubau des Feuerwehrzen­trums in der Nachbargemeinde Marienhafe ist beschlossen. Die anderen vier Wehren sollen bis auf eine Garage dicht machen.

Evers begründet das damit, dass die alten Feuerwehrgebäude in die Jahre gekommen seien. „Die Fahrzeuge müssen die Spiegel einklappen, wenn sie hineinfahren“, sagt Evers. Zudem müssten neue, getrennte Sanitäranlagen für Männer und Frauen her. „Die gibt es bei keiner der Wehren.“

Der Erhalt der bestehenden Standorte sei mit Baukosten von rund 4,5 Millionen Euro deutlich teurer als der zentrale Neubau in Marienhafe mit nur drei Millionen Euro. „Deshalb ist das nicht anders machbar“, sagt Evers.

Bislang gibt es in Niedersachsen keine Pflichtfeuerwehr

Johann Brüning, der Gruppenführer in Upgant-Schott, hat seine Kündigung nach 45 Dienstjahren eingereicht. Es regt ihn auf, dass die Samtgemeinde nicht länger nach Alternativen sucht. Sein großer Kritikpunkt: Die Wege für die Freiwilligen zu der zentralen Wache in der Nachbargemeinde seien zu weit – auch wenn ein Gutachten der Samtgemeinde ergeben hatte, dass sie sich um maximal 2,8 Kilometer verlängerten.

Doch die längere Strecke führe entweder durch Tempo-20-Straßen oder über eine vielbefahrene Bundesstraße. „Da stehen die Autos in Richtung der Inseln Schlange“, sagt Brüning. Bis die Feuerwehrleute dann bei der Wache ankämen, sei es im Zweifel zu spät.

Gibt es nicht genügend Freiwillige, um den Brandschutz in einer Stadt oder Gemeinde sicherzustellen und die Hilfe im Notfall, sieht das niedersächsische Brandschutzgesetz vor, Einwohner zu verpflichten.

Treffen kann die Zwangsmitgliedschaft jeden, der zwischen 18 und 55 Jahre alt, gesundheitlich fit genug für den Einsatz ist und bei dem der Dienst mit dem Beruf vereinbar ist.

Die Pflichtfeuerwehr muss aufgelöst werden, wenn es wieder genügend Ehrenamtliche für eine freiwillige Feuerwehr gibt oder eine Berufsfeuerwehr gegründet wird.

Zudem habe die Wache keine Nachwuchsprobleme. Die Jugendfeuerwehr werde gut angenommen. „Aber die Eltern haben gesagt, nach Marienhafe fahren sie nicht.“ Die Samtgemeinde mache mit der Zentralisierung „alle Nachwuchsarbeit kaputt“, sagt Brüning.

Bisher gibt es in Niedersachsen keine Gemeinde, die Bürger zum Feuerwehrdienst verpflichtet. „Da gibt es auch berechtigte Sorgen, ob die Sicherheit noch gegeben ist, wenn Menschen gegen ihren Willen helfen müssen“, sagt Ernst Hemmen vom Vorstand des Landesfeuerwehrverbandes. Dass die Pflichtmitgliedschaft tatsächlich kommt, hält er aber für äußerst unwahrscheinlich.

Doch in Schleswig-Holstein gibt es bereits in List auf Sylt, Friedrichstadt und Burg in Dithmarschen Pflichtfeuerwehren, weil die Freiwilligen fehlen. Thomas Kusch, Wehrführer der Feuerwehr Burg, hat sich damit arrangiert. Seine Wache ist seit 2009 eine Pflichtfeuerwehr. Statt einfach „blind zu verpflichten“, lädt er Bürger zu Informationsabenden ein, um sie zu überzeugen. „Die, die es nicht wollen, versuchen sonst sowieso, sich mit einem Schein vom Arzt oder dem Arbeitgeber zu wehren“, sagt er. Zudem seien nicht alle Bürger gesundheitlich für den Job geeignet.

Geld bekommen die Verpflichteten nicht. „Trotzdem stehen die allermeisten dahinter“, sagt Kusch. „Das Ziel ist aber, wieder eine freiwillige Feuerwehr zu werden.“

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