Kommentar Entwaffnung der ETA: Ohne Weitblick und Großzügigkeit

Die Waffenabgabe der ETA ist ein starkes Signal für friedliche Konfliktlösung. Die spanische Regierung handelt jedoch nicht mit gleicher Größe.

Zwei Blätter mit weißen Händen auf blauem Grund

Das Symbol der baskischen „Handwerker des Friedens“ ist allgegenwärtig Foto: ap

Die ETA hat die Waffen abgegeben. Über fünf Jahre nach dem einseitig verkündeten Waffenstillstand ist der Verzicht auf Gewalt durch die baskische Separatistenbewegung damit endgültig besiegelt. Im Baskenland zieht nach und nach Normalität ein.

In den Dörfern und Stadtteilen, in denen die Menschen einst mit Angst und Hass lebten, ist die Aussöhnung von unten längst im Gange. Dazu braucht es Mut und Großzügigkeit von beiden Seiten. Viele Menschen im Baskenland beweisen dies Tag für Tag.

Nur einer der Akteure ignoriert die Entwicklung geflissentlich: Die spanische Regierung des konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy. Diese hatte das Ende der Gewalt geerbt. Die ETA verkündete noch unter Rajoys Vorgänger, dem Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero, das Ende des bewaffneten Kampfes.

Rajoys Partido Popular (PP) demonstrierte zusammen mit den ihr treu ergebenen Teil der Opfervereinigungen mehrfach gegen Zapatero. Er würde die Demokratie und Einheit Spaniens verraten, hieß der schwerwiegende Vorwurf. Einmal an der Regierung tat die PP nichts, um die Lage zu entspannen, auf die ETA zuzugehen und die Übergabe der Waffen zu erleichtern.

Zweierlei Maß

Auch jetzt will die Regierung von Zugeständnissen nichts wissen. Das wiegt schwer. Denn nach dem Ende der Gewalt ist es weniger akzeptabel denn je, dass hunderten ETA-Gefangenen die elementarsten Rechte vorenthalten werden. So dürfen sie ihre Haft nicht – wie alle anderen Häftlinge – heimatnah verbringen. Die Zerstreuung über ganz Spanien wurde einst als Druckmittel gegen die Separatisten eingeführt.

Es ist die Stunde der Politik. Zumindest wenn man Madrid Glauben schenken will. Die großen Parteien warfen den baskischen Separatisten immer wieder vor, politische Ziele nicht mit politischen Mitteln zu verfolgen. Doch gleichzeitig verbieten die Konservativen mit Unterstützung durch die Sozialisten den Katalanen, die anders als die Basken immer friedfertig für ihre Unabhängigkeit eintraten, das Recht auf eine Volksabstimmung. Politiker, die die Bevölkerung befragten, landen vor Gericht. Ihnen werden die Bürgerrechte aberkannt.

ETA ist Geschichte. Das Streben nach Unabhängigkeit der Basken ist es nicht. Ganz im Gegenteil, der Gewaltverzicht gibt der Unabhängigkeitsbewegung mehr Legitimität. Bald schon wird die Mehrheit der Basken, wie heute schon die Katalanen, eine Volksabstimmung einfordern.

Rajoy fehlt es nicht nur an Großzügigkeit sondern – und das wiegt viel schwerer – auch an politischem Weitblick.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.