Rassismus im norwegischen Fußball: Pfeifen gegen den Schiri

Svein-Erik Edvartsen, einer der besten Referees Norwegens, wurde von Kollegen gemobbt. Eine Mischung aus Neid und Rassismus.

Ein Fußballspieler, dessen Oberkörper man nicht sieht, auf einem Fußballplatz vor einer Bande mit der Aufschrift "No to Racism".

Rassismus im Fußball ist auch in Norwegen ein Problem Foto: dpa

BERLIN taz | Rassismus, Mobbing, Egoismus und Selbstherrlichkeit werden in der schönen heilen Sportwelt immer gern als bloße Ausrutscher gesehen, Einer dieser Ausrutscher spielt sich gerade im mit rund fünf Millionen Einwohnern eher winzigen Norwegen ab. Die Eliteserie, die erste Liga, startet wie alle anderen Klubs des Landes ihre Saison aus Witterungsgründen im Frühjahr – aber schon Wochen vor dem Anpfiff am 1. April begann ein Skandal, den zu beenden bislang weder dem Schiedsrichter- noch dem Fußballverband NFF gelang.

Im Mittelpunkt steht mit dem 37-jährigen Svein-Erik Edvartsen ein Referee, für den das Jahr 2017 eigentlich der bisherige Höhepunkt seiner Karriere sein sollte. Rein fachlich gilt der seit mehr als zwölf Jahren Aktive als mindestens zweitbester Schiedsrichter seines Landes, der zudem seinem Traum, auch international pfeifen zu dürfen, Ende März ­näher kam: Er durfte das WM-Qualifikationsspiel Bosnien-Herzogowina gegen Gibraltar leiten.

Vor dem Match dankte Edvartsen explizit „meinem Mentor Rune Pedersen“, dem ehemaligen Chefschiedsrichter, „ohne den ich das alles nicht erreicht hätte“. Drei Tage später wurde genau dieser Rune Pedersen vom derzeitigen Schiri-Chef als Edvartsens Mentor ab- und durch ihn selbst ersetzt. Außerdem wurde Edvartsen suspendiert und darf seither keine Spiele mehr in Norwegen pfeifen. Warum, blieb unklar.

Dass er sich jederzeit bedingungslos vor seinen Schützling gestellt hätte, kann man Pedersen jedenfalls nicht vorwerfen, es gibt lauter Belege, dass der Mentor ihn bei schlechten Leistungen öffentlich und durchaus harsch rügte, wie jeden anderen auch.

Edvartsen ist Anfeindungen gewohnt

Nachdem sich Edvartsen nun in einem Interview über seine Suspendierung beschwerte und hinzufügte, keinerlei Begründung erhalten zu haben, eskalierte die Sache erst richtig. Der Fußballverband veröffentlichte eine anonyme Umfrage unter Edvartsens Kollegen, wonach diese kein Vertrauen zu ihm hätten. Konkrete Gründe wurden allerdings nicht genannt.

Der Enkel eines Pakistaners wurde schon als „Tandoori-Schiedsrichter“ beschimpft

Hass und Anfeindungen sind für Edvartsen nichts Neues: 2011 wurde er vom Marketingchef des norwegischen Erstligisten Start in Anspielung auf seine Herkunft als „Tandoori-Dommer“, Tandoori-Schiedsrichter bezeichnet, der „einen anderen Job suchen und vor allem die Gewürze vor seinen Augen wegnehmen sollte“.

Edvartsens Vater ist der Sohn von ursprünglich nach Kanada ausgewanderten Pakistanern, seine Mutter Norwegerin. Schon lange gibt es auf Facebook Hassgruppen gegen den Referee. Eine heißt übersetzt „Schiedsrichter Edvartsen raus aus Fußball-Norwegen“. 2013 hatte der sportpolitische Sprecher der rechtspopulistischen Fremskrittparti, Øyvind Korsberg, den Schiedsrichter nach einer umstrittenen Entscheidung auf Twitter des „Kampfiksing“, also des Wettbetrugs, beschuldigt. Er entschuldigte sich erst, als Edvartsen ­einen Anwalt eingeschaltet hatte.

„Dies hier ist nicht Nordkorea“

Ähnlich offensiv konterte der als ehrgeizig und eloquent bekannte Edvartsen, hinter den sich interessanterweise einige Vereine stellten, auch seine Suspendierung und verlangte öffentlich eine Erklärung. „Dies ist ein Land, in dem die Meinungsfreiheit ein hoch respektiertes Gut ist und Unterschiede respektiert werden“, unterstützte ihn Morten Pedersen Ende April in der Tageszeitung Dagbladet. „Dies hier ist nicht Nordkorea.“

Edvartsen sei der Erste, der es gewagt habe, „die Machteliten im Fußball- und im Schiedsrichterverband herauszufordern, indem er einfach nur darauf beharrte, eine sachliche Begründung für deren Entscheidung zu bekommen“, schrieb auch der bekannte Sportblogger Kjell-Ola Kleiven.

Edvartsens Gegner in den Verbänden haben erkennbar wenig Interesse daran, den Konflikt zu lösen. Dies könnte auch daran liegen, dass ein weiterhin suspendierter Referee kaum Chancen hat, bei den nächsten WM-Qualifikationsspielen eingesetzt zu werden.

Dazu könnten handfeste finanzielle Überlegungen kommen: Pro gepfiffenem Eliteserien-Match bekommen Schiedsrichter umgerechnet rund 3.300 Euro, das ist auch im sechstreichsten Land der Welt für die dort nebenberuflich tätigen Schiedsrichter nicht eben wenig Geld. Am 2. Mai gab der Fußballverband immerhin bekannt, dass man einen Friedensvermittler einsetzen werde. Er heißt Sven Mollekleiv und ist Präsident des Norwegischen Roten Kreuzes. Der Ernst der Lage scheint immerhin erkannt worden zu sein.

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