Big-Brother-Awards in Bielefeld: Ditib droht Aktivisten mit Klage

Der türkische Religionsverband Ditib sollte am Freitagabend einen Negativpreis bekommen. Nun verleiht er ihn sich selbst.

Eine Moschee

Möchte den Preis nicht: Der Islamverband Ditib sagt „Danke“ Foto: dpa

BERLIN taz | Besonders klug war das nun nicht: Eine gewisse Chance hätte es ja immerhin gegeben, dass die für Freitagabend geplante Preisverleihung der sogenannten Big-Brother-Awards dann doch eher jenseits einer breiteren Öffentlichkeit stattfindet. Dem ist der deutsch-türkische Religionsverband Ditib allerdings nun zuvorgekommen – und hat sich mit einem empörten Brief selbst ins Rampenlicht gestellt.

In einem Schreiben an die Veranstalter droht der Generalsekretär des Islamverbandes, Bekir Alboga, den Organisatoren indirekt mit einer Klage, sollte der Negativpreis an den Islamverband gehen.

Mit den sogenannten Big-Brother-Awards zeichnen Datenschützer seit Jahren Unternehmen, Verbände, Behörden und Institutionen aus, die auf besondere Weise den Datenschutz von BürgerInnen umgehen oder schädigen. Veranstaltet wird die Preisverleihung von dem im Bielefeld ansässigen Verein Digitalcourage, einer altehrwürdigen Institution unter Datenschutzaktivistinnen und -aktivisten.

Zu den Preisträgern der Negativauszeichnung, die stets mit einer Gala gefeiert wird, gehörten in den letzten Jahren unter anderem das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Generali-Versicherung oder die Kampagnenplattform Change.org.

Wer bespitzelte wen?

In diesem Jahr soll einer der Preise, die in verschiedenen Kategorien vergeben werden, an den Islam-Dachverband Ditib gehen. Der Verband mit Sitz in Köln wird unter anderem von türkischen Regierungsgeldern bezahlt und untersteht der Kontrolle des Amts für religiöse Angelegenheiten in der Türkei. In Deutschland spielt Ditib eine wesentliche Rolle bei der Ausbildung von Imamen sowie bei der Entwicklung von Muslimunterricht an Schulen.

Kritiker werfen Ditib vor, als verlängerter Arm der türkischen Regierung in deutschen Moscheen Politik zu betreiben. So hatte Ditib etwa nach dem erfolglosen Putschversuch auf Türkeis Präsident Erdogan unter anderem eine äußerst umstrittene Predigt verbreiten lassen.

Derzeit ermittelt die Generalbundesanwaltschaft in der Sache gegen verschiedene Ditib-Imame.

Ende 2016 war bekannt geworden, dass unter dem Dach des Verbandes im Auftrag der türkischen Regierung auch mutmaßliche Anhänger des Predigers Fetullah Gülen ausspioniert worden waren. Ditib-Prediger sammelten laut Medienberichten Daten, schrieben Berichte über Gemeindemitglieder und sendeten diese in die Türkei. Derzeit ermittelt die Generalbundesanwaltschaft in der Sache gegen verschiedene Ditib-Imame. Unter anderem hatte das Bundesfamilienministerium Zahlungen an die Ditib vorübergehend einbehalten.

Ein Brief, eine Drohung

Für diese Art der recht unmittelbaren Überwachung will die Jury der Big Brother-Awards, zu der unter anderem renommierte Aktivistinnen wie Rena Tangens und Padeluun vom Bielefelder Verein Digitalcourage, aber auch der Frankfurt Professor Peter Wedde sowie der ehemalige Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert zählen, dem Verband nun den Negativpreis überreichen – und lud Vertreter des Verbandes zur Preisverleihung nach Bielefeld ein. Ditib sollte nicht der einzige Preisträger sein, reagierte aber als einziger mit einer mehr als klaren Botschaft per Brief. Darin droht der Verband mit einer Klage wegen übler Nachrede.

In dem Brief, der der taz vorliegt, schreibt Ditib-Generalsekretär Bekir Alboga, die „vordergründigen Vorwürfe und die daraus resultierende Nominierung fußen auf Tatsachenverdrehung, Falschbehauptung und unzulässigen Verallgemeinerungen“. Weiter heißt es darin: „Die Imame pauschalisierend als Spione und Denunzianten zu beschreiben, ist (…) nicht nur Verleumdung, sondern auch ein Zeichen der Unkenntnis.“

Ditib argumentiert: Nicht die Institution, sondern lediglich „einige wenige Personen“ stünden im Fadenkreuz der Ermittler. Auch hätten keine Ditib-Organe oder -Mitarbeiter „irgendwelche geheimen und persönlichen Informationen eingefordert, gesammelt oder weitergeleitet.“ Das ist nun wohl Auslegungssache. Bereits in der Vergangenheit hatte Ditib Vorwürfe stets zurückgewiesen, dann aber auch eingeräumt, einige Imame hätten eine Anweisung der Religionsbehörde Dyanet wohl fehlinterpretiert.

Gelassene Reaktion

Jedenfalls: In dem Schreiben an den Verein Digitalcourage fordert Ditib-Generalsekretär Alboga nun von den Veranstaltern die „umgehende Revidierung ihres Urteils“ und schreibt, er müsse „in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass die Kommunikation und Veröffentlichung der Nominierung sowie eine Preisverleihung Verstöße gegen die nicht pressemäßige Prüfungs- und Sorgfaltsverpflichtung sind und eine Strafbarkeit nach § 186 StGB in Betracht kommen würde.“ Dabei geht es um den Vorwurf der üblen Nachrede.

Was soll das anderes sein als eine Klageandrohung?

Die Veranstalter fassen das Schreiben wiederum als Auszeichnung auf. Sie blicken einer möglichen Klage laut eigener Aussage gelassen entgegen und wollen den Preis am Freitagabend verleihen. Nicht nur an Ditib. Aber auch an Ditib.

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