Die Wahrheit: Jahrelanges Kichern

Im sauerländischen Menden wurde endlich „Der Große Dinggang“, der Preis für komische Lyrik, unter sieben Salutschüssen Konfetti verliehen.

Vier Leute sitzen beisammen

Juroren Christian Maintz, Peter P. Neuhaus, Thomas Gsella und Jurorin Corinna Stegemann (von links) bei der Arbeit Foto: Max Lampin

Es ist vollbracht! Der „Große Dinggang“ wurde verliehen, ebenso wie sein Bruder, „Der Kleine Dinggang“. Ein monatelanges, nein, ein jahrelanges Warten, Kopfkratzen, Kichern, Verzweifeln und Glucksen fand am vergangenen Wochenende im sauerländischen Städtchen Menden ein Ende. Oder besser gesagt: Es konnte nur in Menden enden.

Doch gemach, wir wollen besser am Anfang beginnen: Am 15. Februar 2016 bekamen drei Menschen in Deutschland eine aufregende E-Mail des bekannten Wahrheit-Dichters Peter P. Neuhaus (das P. steht für „Prachtvoll“). Diese Mail hatte zum Inhalt, dass die Empfänger fortan die Jury für eine Preisverleihung bilden würden. Der Große Dinggang. Ein Preis für komische Lyrik zu Ehren des großen Dichterfürsten F. W. Bernstein. Wow!

Was nun folgte, ist in Worten eigentlich nicht zu beschreiben, ich will es dennoch versuchen. Aus allen Teilen der Welt trafen Gedichte bei der Jury – bestehend aus Peter P. Neuhaus, Thomas Gsella, Christian Maintz und Corinna Stegemann – ein. 238 Dichterinnen und Dichter schickten ihre anonymisierten Werke. Teilweise waren es mehr als 10 Gedichte pro Autor, und sogar eine Kurzgeschichte war dabei, die aber sofort disqualifiziert wurde, weil sich da nix reimte.

Und die Jury las und las, Tag und Nacht, bis die Augen bluteten und die Gehirne porös waren. Oftmals fragten sich die vier hartnäckigen Reimprüfer, was denn an dem Wort „komisch“ so zweideutig sein könnte oder was an dem Wort „Lyrik“ missverständlich wäre, aber sie hielten durch. Aus beinahe 2.500 Dichtungen, Versen, Balladen und Epen galt es nun, eine Liste der fünf besten Verfasser derselben zu benennen. Eine Aufgabe, die beinahe nicht zu bewältigen war, und dennoch gab es ein großes Hallo, als sich herausstellte, dass die Herren der Jury exakt die gleichen fünf Dichter erwählt hatten.

Einzig die Liste der famosen, unbeschreiblich brillanten und überaus charakterstarken Corinna Stegemann zeigte nur drei Übereinstimmungen. Ein Umstand, der nur durch die vielschichtige Individualität und Besonderheit von Stegemanns schillernder Persönlichkeit zu erklären ist.

Engelsgleich unterm Hallenbad

Nun ging es auf eine Sternfahrt nach Menden. Aus allen vier Himmelsrichtungen machten sich die Jurymitglieder auf den Weg. Das stimmt aber gar nicht, denn Peter P. war schon dort, weil er dort wohnt. Doch vor das Glück hat der Herr bekanntlich das Leid gesetzt. Man ahnte schon Schlimmes, als sich der Himmel verfinsterte und der Zug in ein Kaff namens Frönnenburg oder so ähnlich einfuhr. Plötzlich stürzte unendlicher Regen herab, es blitzte und donnerte und die Luft roch irgendwie komisch. Dann aber, als es weiterging, erstrahlte die goldene Sonne, die Vöglein zwitscherten und es duftete nach Rosen und Kuchen – das war das herrliche Menden, die pittoreske kleine Stadt mit ihrem verwunschen anmutenden Labyrinth enger Straßen, mit den schönen alten Häusern und der 10 Meter hohen, 1.000 Jahre alten Stadtmauer. Menden, eine Stadt des Fortschritts, deren Stadtrat schon 2011 beschloss, die Opfer der mittelalterlichen Hexenverbrennungen zu rehabilitieren.

So quietschvergnügt und lustig, dass der Abend eigentlich nie hätte enden sollen

Die Jury wähnte sich wie im Traum, Christian Maintz wollte immerzu gekniffen werden, und als auch noch die an Schönheit und Geist unübertreffliche und engelsgleiche Dinggang-Moderatorin Janine Bauer die Jury begrüßte, dachte Thomas Gsella gar, er sei gestorben und im Paradies. Dabei lebte er aber und saß im Scaramouche.

Das Scaramouche ist ein wunderschönes, kleines Theater unter einem Hallenbad, in dem „Der Große Dinggang“ mit einem Preisgeld von 1.000 Euro vergeben werden sollte. Und auch der Publikumspreis „Der Kleine Dinggang“ , mit 300 Euro dotiert, würde hier zu seinem neuen Besitzer wandern.

Doch zunächst musste sich die Jury der reizenden Mendener Bevölkerung vorstellen, die am Freitagabend in Strömen ins kleine Theater unterm Hallenbad rauschte. Schnell war das Scaramouche rappelvoll, es wurde recht kuschelig warm, die Mendener waren außergewöhnlich herzlich und bedachten jeden Rede- und Gedichtbeitrag der Jurymitglieder mit tosendem Gelächter und nicht abreißendem Applaus. Sogar zwei Filme hatten sie gedreht, in dem Menden sich der Jury vorstellte. Es war so innig und beseelt, so ausgelassen, drollig und fidel, so quietschvergnügt und lustig, dass der Abend eigentlich nie hätte enden sollen.

Wundervolle Gewinner

Aber am Samstag ging es erst richtig los, denn nach und nach trudelten sie ein, die Gewinner, die fünf aus zweihundertachtunddreißig:

Phillip Saß, ein Philosoph, der seine stets klugen Worte stets achtsam und akkurat setzt.

Gunnar Homann, ein eher stilles, aber sehr lockiges und sehr tiefes Wasser.

Robert Koall, der zweifelsohne die schönste Frisur hatte, die Menden jemals sah, und der ein bisschen wirkt wie ein schottischer Graf, der auf einem verwunschenen Schloss lebt und jedes Gouvernantenherz im Sturm erobert.

Axel Sanjosé, ein feuriger Spanier, der es locker mit allen Stieren auf der Welt gleichzeitig aufnehmen kann.

Und Stefan Pölt, ein schöner, sanfter Riese, dessen ruhige und sonore Stimme die Zuhörer fesselt und unweigerlich in ihren Bann schlägt.

Da waren sie nun also und lasen ihre wundervollen Gedichte vor, lasen sich in die Herzen der wieder zahllos erschienenen Besucher. Sie ließen das kleine Theater unterm Hallenbad erglänzen und vor Freude erbeben.

Und dann wurde es ernst. Die Jury hatte schon am Vorabend den Gewinner des „Großen Dinggang“ festgelegt. Das ging leider nicht ohne Streitereien und Gewalt vonstatten, und die famose Frau Stegemann konnte sich leider nicht gegen die Männer durchsetzen.

Mit königlicher Würde

Lange Rede, kurzer Sinn: „Der Kleine Dinggang“, der Publikumspreis für den beliebtesten Dichter des Abends, ausgewählt nach Stimmabgabe mit Murmeln, eingesammelt von zwei bezaubernden jungen Damen namens Frau Ding und Frau Gang, dieser bedeutende und wichtige Preis ging selbstverständlich an den einnehmenden, angenehmen und anziehenden Robert Koall, der mit seinem Vortrag keinen Zweifel offen ließ, dass ihm dieser Preis gebührt. Mit geradezu königlicher Würde nahm er die Trophäe – begleitet von einer Salve Konfetti – entgegen.

„Der Große Dinggang“ wurde an den hervorragenden Gunnar Homann verliehen. Unter den Schüssen von sieben (!) Konfetti-Kanonen konnte er, der mit seinem dichterischen Werk fast alle Jurymitglieder überzeugen konnte, einen Gutschein entgegennehmen, den er bei einer Bank gegen 1.000 Euro eintauschen kann.

Menden, Menden, warum musste es enden? Schönstes Städtchen an der Ruhr, in zwei Jahren sehen wir uns wieder, wenn es wieder heißt: „Der Große Dinggang“ wird verliehen!

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