Kolumne Psycho: Stell dich nicht so an!

Heidi Klum könnte ihre Reichweite nutzen, um zum Beispiel über den Umgang mit Ängsten aufzuklären. Doch sie versagt total.

Eine Frau, Heidi Klum

Unter diesem Blick kann man schon mal Panik kriegen Foto: reuters

Es ist dieser Blick. Wenn Heidi Klum ungehalten ist, werden ihre Augen immer größer, bis sie so unerbittlich strahlen wie die Suchscheinwerfer eines Polizeihubschraubers: Zzzuum! Und Heidi Klum ist oft ungehalten.

Zum Beispiel, wenn sich ihre Mädchen nicht nackt fotografieren lassen wollen. Wenn sie heulen, obwohl gerade kein Shooting ansteht, in dem sie ihre „Emotions“ zeigen müssen. Oder wenn sie „Panik machen“ – etwas, das in der aktuellen Staffel von „Germany’s next Topmodel“ regelmäßig passiert.

Dabei produziert die Sendung diese Eklats absichtlich. Die Fotoshootings so dramatisch wie möglich zu gestalten, ist seit Jahren ein beliebter Kniff, um die angehenden Models „an ihre Grenzen zu bringen“ und die ZuschauerInnen zu unterhalten. Dieses Mal unter anderem mit einem auf dem Wasser schwimmenden Gummiball, in dem sich die Kandidatinnen verrenken, und einer „Schäselaunsch“ auf dem Boden eines Schwimmbeckens.

Während die Kandidatinnen mit Platzangst, Kreislaufproblemen und der Angst vorm Ersticken kämpfen, gelingt Heidi Klum die bemerkenswerte Leistung, in jeder Situation genau das Falsche zu sagen. Sie wertet die panischen Teilnehmerinnen als „Problemkinder“ ab, setzt sie unter Druck („Die anderen haben’s auch geschafft!“) und erklärt mit wackelndem Zeigefinger: „Du musst jetzt ein bisschen auf die Zähne beißen.“

Als Sabine beim Unterwassershooting mit langem Kleid und Gewichtsgürtel strampelnd und heulend an der Schwimmnudel hängt, kommentiert Klum: „Sie macht es sich aber auch so schwer, ne.“ Über Anh, die in ihrem Gummiball hyperventiliert, lästert sie: „Die atmet da wie so ein Karpfen in dem Teil, man kann sie gar nicht mehr sehen.“ Und Céline beglückwünscht sie, dem Fotografen im Gedächtnis geblieben zu sein, weil sie „so ’ne Riesenszene“ gemacht habe. Zzzuum!

Liebe Heidi Klum, wer eine Panikattacke hat, macht keine Szene, sondern hat Todesangst

Liebe Heidi Klum, wer eine Panikattacke hat, macht keine Szene, sondern hat Todesangst. Und die lässt sich nicht allein durch einen eisernen Willen besiegen. Nicht mal, wenn man seine bergisch-gladbacher Arschbacken bis zur Verstopfung zusammenkneift. Was angebracht wäre, ist Verständnis. Toleranz. Akzeptanz. Eigenschaften, die Heidi Klum sich hoffentlich spätestens dann aneignet, sollte irgendwann eins ihrer Kinder eine Panikattacke erleiden.

Man kann von „Germany’s next Topmodel“ halten, was man will. Tatsache ist, dass wöchentlich mehr als zwei Millionen ZuschauerInnen vor dem Fernseher sitzen – vor allem junge Mädchen, die sich mit den Teilnehmerinnen identifizieren und nicht immer durchschauen, was Show und was Realität ist. Am Ende zählt, was auf dem Bildschirm passiert.

Eine derartige Reichweite könnte man wunderbar nutzen, um einen adäquaten Umgang mit Ängsten und Sorgen zu zeigen. Aber das Einzige, was die Zuschauerinnen von dieser Sendung lernen, ist: Immer schön tapfer sein. Außer, es steht irgendwann ein Shooting zum Thema „Angst“ an. Wer dann nicht auf Knopfdruck bibbern kann, muss endlich mal lernen, seine Gefühle zuzulassen.

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Jahrgang 1984, Redakteurin der taz am wochenende. Bücher: „Rattatatam, mein Herz – Vom Leben mit der Angst“ (2018, KiWi). „Theo weiß, was er will“ (2016, Carlsen). „Müslimädchen – Mein Trauma vom gesunden Leben“ (2013, Lübbe).

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