Alternative Bahn Locomore ist insolvent: Der orange Zug leuchtet nicht mehr

Nicht zwingend das Ende: Der Crowdfunding-Bahnkonkurrent hat einen Insolvenzantrag gestellt, weil er zu wenig Kundschaft hatte.

Orangefarbener Bahnwaggon

Ein Locomore-Zug in Stuttgart Foto: dpa

BERLIN taz | „Esau versöhnt sich mit Jakob“, „Von Angesicht zu Angesicht“, „500 Jahre Reformation“ – wer schon bei der Anreise zum diesjährigen Kirchentag in Berlin solche Themen debattieren will, konnte beim Bahnkonkurrenten Locomore Plätze in Themenabteilen buchen. In der Gewissheit, dort auf Mitreisende zu stoßen, die ebenfalls diskussionsfreudig sind.

Ob es zu dem angeregten Plausch auf Schienen, während draußen die sattgrüne Frühlingslandschaft vorbeizieht, aber wirklich kommt, ist ungewiss: Die Firma Locomore hat Insolvenz angemeldet, wie sie am Donnerstagabend bekanntgab.

Zwar wird der Verkehr der Firma, die die Strecke Stuttgart-Frankfurt-Kassel-Hannover-Berlin bedient, nicht sofort eingestellt. Ob und wie lange der Insolvenzverwalter den Betrieb aufrecht erhält, ist aber noch unklar. Zumindest am Donnerstag und Freitagmorgen fuhren noch Züge; von Sonnabend bis mindestens Montag fallen die Verbindungen aber aus.

Grund für den Insolvenzantrag war, dass die Firma, die sich per Crowdfunding finanzierte, nicht mehr alle ihre Verbindlichkeiten bedienen konnte. Am Mittwochabend hatte dann nach Firmenangaben ein Investor, dessen Engagement die Insolvenz abgewendet hätte, trotz fortgeschrittener Verhandlungen abgesagt.

Betrieb von Anfang gefährdet

„Sowohl die Anzahl der Fahrgäste als auch die Einnahmen pro Fahrgast sind zwar kontinuierlich gestiegen, aber nicht schnell genug, um vollständig kostendeckend zu arbeiten“, begründete die Firma die Insolvenz. „Unsere finanziellen Reserven sind nunmehr aufgebraucht, so dass wir uns zu diesem Schritt gezwungen sahen.“

Bereits Mitte Januar, vier Wochen nach Betriebsstart, waren erste Schwierigkeiten aufgetaucht. Locomore musste zwei Betriebstage voll und zwei Betriebstage halb aus dem Programm nehmen, weil die Nachfrage nach den eigentlich günstigen Tickets zu gering war. Anfang April – bis dahin hatten bereits 70.000 Fahrgästen den orangen Zug genutzt – konnte dann der Verkehr wieder auf sechs Tage pro Woche ausgedehnt werden, und Locomore kündigte sogar eine Expansion des Geschäfts an.

Neben dem Hin und Her um gestrichene und dann doch wieder teilweise ins Programm genommene Fahrten machten Locomore auch betriebliche Probleme zu schaffen. Anfang Mai fielen an mehreren Tagen mehrere Passagierwaggons aus, so dass Fahrgäste nicht auf ihren gebuchten Plätzen reisen konnten. Am 4. Mai streikte dann wegen eines technischen Defekts auch der Servicewagen – mit der Folge, dass der Internetzugang im gesamten Zug ausfiel und auch die Plätze für Rollstuhlfahrer sowie das Kinderspielabteil nicht erreichbar waren.

Das Kapitel Locomore ist mit der Insolvenz aber noch nicht beendet – das hoffen zumindest die Betreiber. „Wir vom Team von Locomore glauben weiterhin daran, dass das Produkt Locomore eine Bereicherung für den Fernverkehrsmarkt darstellt und hoffen, dass es uns gemeinsam mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter gelingt, Perspektiven zur Fortführung des Locomore-Zugverkehrs zu entwickeln“, so die Firma. Erste Gespräche mit potenziellen Investoren seien bereits gelaufen.

An die Kunden und Kundinnen appelliert Locomore, ihren Ärger nicht an den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auszulassen. „Bitte behandelt unser Zugpersonal fair und respektvoll!“ Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die aber auch in den Zügen der Deutschen Bahn bei Problemen oft genug nicht beachtet wird.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.