Archäologischer Fund in Marokko: Homo sapiens senior

Die Menschheit ist offenbar wesentlich älter als gedacht. Forscher haben die Knochen von 300.000 Jahre alten Urmenschen gefunden.

3-D-Animation des Schädels eines frühen Homo sapiens

Mit Hut nicht von uns zu unterscheiden – ein Homo sapiens vor 300.000 Jahren Foto: ap

BERLIN taz | An einem Mittwoch im Juni wachte der Mensch auf und stellte fest, dass er um 100.000 Jahre gealtert war. Tatsächlich soll der Homo sapiens (das sind Sie, liebe Leser) schon seit 300.000 Jahren sein Unwesen auf der Erde treiben – und nicht erst seit 200.000 Jahren, wie Anthropologen bisher vermuteten. Darüber hinaus hat der Urmensch sich damals schon über ganz Afrika verbreitet – und nicht nur über den Osten des Kontinents, den man bislang für die Wiege der Menschheit hielt.

Zu verdanken ist diese Erkenntnis einem internationalen Forscherteam. Etwa 100 Kilometer nordwestlich der marokkanischen Stadt Marrakesch fanden die Wissenschaftler 22 versteinerte Überreste von Knochen, Schädeln, Kiefern und Zähnen, die deutlich älter sind als bisherige Funde. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie nun im renommierten Wissenschaftsmagazin Nature. Mehrere Forscherkollegen halten die Datierung für stichhaltig. Als bislang ältester Beleg für den Homo sapiens galten bisher menschliche Überreste aus Äthiopien, die 195.000 Jahre alt sind.

Aus den nun entdeckten Funden lässt sich auch die Schädelform des Urmenschen rekonstruieren. Der Vorfahre soll uns bereits sehr ähnlich gesehen haben. „Das Gesicht eines dieser frühen Homo sapiens ist das Gesicht von jemandem, den man in der U-Bahn treffen könnte“, sagt der Paläontologe Jean-Jacques Hublin, Koautor der Nature-Studie. „Trüge er einen Hut, wäre er von heutigen Zeitgenossen nicht zu unterscheiden.“

Der Hinterkopf ist allerdings länger und anders geformt als bei modernen Menschen. Deshalb gehen die Forscher davon aus, dass sich die Form des Gehirns sowie seine Funktion – und damit unsere heutige Intelligenz – erst innerhalb der späteren Entwicklung verändert haben. Es sei noch ein langer evolutio­närer Weg „bis zur modernen Morphologie“, sagt Hublin.

Was kann man aus diesem Fund nun schließen? Erstens: Man weiß nie, wo der Hinterkopf noch hinwächst. Und zweitens: Der Mensch hatte 100.000 Jahre mehr Zeit als gedacht, sich zu entwickeln – und dennoch gibt es Hungersnöte, Kriege und Til-Schweiger-Filme. Eine schwache Leistung unserer Spezies.

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