Streit ums Humboldtforum in Berlin: Buuhuu! Hier kommt das Preußentum

Wie soll das Humboldtforum architektonisch seinen Ausdruck finden? Der Streit über das Kreuz offenbart ideologische Differenzen.

Ein Bauarbeiter arbeitet auf dem Dach, im Hintergrund Berliner Dom, Fernsehturm und ein Baukran

Bauarbeiten auf dem Dach des Berliner Stadtschlosses im Mai Foto: dpa

Mit klarer Mehrheit hat der Bundestag letzte Woche die Wippe gewuppt. Das Einheitsdenkmal, eine betretbare, bewegliche Schale, die sich je nach Belastung durch das Volk, dessen es gedenkt, in die eine oder andere Richtung neigt, wird in Berlin gebaut. Zwischenzeitlich wollten schon mal Neil McGregor, Intendant des Humboldtforums, Monika Grütters, die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, und die Abgeordneten Johannes Kahrs (SPD) und Rüdiger Kruse (CDU) „lieber des Kaisers Kolonnaden zurück“, wie der SPD-Politiker Wolfgang Thierse zürnte, als der ostdeutschen friedlichen Revolution zu gedenken. Das Echo auf den Beschluss war verhalten, denn nach des Kaisers Kolonnaden geht der Streit jetzt um das Kreuz des Königs.

Eigentlich war es ein echtes Glück, dass Peter-Klaus Schuster und Klaus-Dieter Lehmann die Idee kamen, man könne ein rekonstruiertes Berliner Stadtschloss als ethnologisches Museum verwenden und aus dem Preußenschloss ein Humboldtforum machen. Abgesehen davon, dass den Rekonstrukteuren um Wilhelm von Boddien jede mögliche Funktion des Gebäudes − vielleicht mit Ausnahme der Parkgarage − recht gewesen wäre, hätte sie nur das Zustandekommen des Schlosses ermöglicht: Die Idee des Humboldtforums war nicht nur glücklich, sondern geradezu genial, weil sie die ideologischen Gewichte verschob.

Denn mit den Brüdern Humboldt würden Begriffe und Werte wie Aufklärung, Freiheit der Wissenschaft und Weltgeist die Architektur feudaler Herrschaft im Innern besetzen und das Preußentum, das bei diesem Berliner Neubau ja immer droht gleich um die Ecke zu kommen, als Gespenst des 19. Jahrhunderts exorzieren. Dachte man.

Aber so glücklich die Idee, so wenig glücklich ist die bisherige Entwicklung. Das Humboldtforum hat nun zwar drei Intendanten, aber noch immer kein klar sich abzeichnendes Programm. Die modellgebende Ausstellung „Extreme! Natur und Kultur am Humboldt­strom“ in der Humboldt-Box machte weder das Versprechen eines Zentrums der Weltkulturen noch das eines Museums neuen Typs glaubhaft. Dafür soll architektonisch ganz klar das reaktionäre Preußen nach der Märzrevolution 1848 rekonstruiert werden, das den Anfang vom Untergang des am 25. Februar 1947 vom ­Alliierten Kontrollrat aufgelösten preußischen Staates markiert.

Wie der Förderverein Berliner Schloss Anfang Mai bekannt gab, wird die Kuppel wieder errichtet, samt Figurenschmuck, Laterne und vergoldetem Kreuz. Möglich macht es eines jener vermeintlich mäzenatischen Vermächtnisse, die aber nur anmaßend sind, und das im gegebenen Fall die Silhouette Berlins definieren möchte. Inga Maren Otto stiftete 15 Millionen Euro für das krönende Kreuz der Rekonstruktion, in Angedenken an ihren Mann Werner „Otto . . . find ich gut!“.

150 Jahre ohne Kreuz

150 Jahre lang kam Andreas Schlüters barockes Stadtschloss ohne Kuppel und Kreuz aus. Ein markantes Zeichen in Form von Turm oder Kuppel ließ sich bautechnisch nur zu Kosten herstellen, wie sie die Preußenkönige nicht bereit waren zu tragen. Bis 1854 die vom Architekten Friedrich August Stüler geschaffene Kapelle mit spätklassizistischer Kuppel, Engellaterne und Kreuz eingeweiht wurde.

Die neue Architektur kündete von der unheilvollen Allianz von Thron und Altar gegen ein demokratisch gesinntes Bürgertum, das mit seiner Revolution gescheitert war. Der König war wieder an der Macht, die ihm von Gottes Gnaden verliehen war, aber bestimmt nicht vom Volk. Davon spricht das Ensemble jetzt wieder, weswegen davon abgelenkt werden muss. Also stürzt man sich aufs (oder ins?) Kreuz, das nur ein „Glanzpunkt“ sein will, den der Chef der Stiftung Humboldtforum, Johannes Wien, der Stadt zurückgegeben will.

Beim besten Willen kein Christenkreuz entdecken können auch die Intendanten Hermann Parzinger, Horst Bredekamp und Neil McGregor, für die das Kreuz nur historische Rekonstruktion und seiner Funktion enthoben ist. Doch sie haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Für Heiner Koch, den katholischen Erzbischof von Berlin, ist das Kreuz selbst ohne Kapelle selbstverständlich ein Zeichen der „frohen Botschaft des Christentums“, wie er sagt. Die Menschen von Humboldtstrom, deren kulturellen Artefakte darunter gezeigt werden, dürften das etwas anders sehen. Aber sei’s drum. Für uns ist es ein Zeichen der „Barmherzigkeit“ und „unserer Wurzeln“ wie Monika Grütters befindet, die im Kreuz vor allem ein Zeichen und Mittel für den Wahlkampf sieht, den sie auch mit erzkonservativen bis tiefreak­tio­nären identitären Stimmen gewinnen will.

Um die missliebige Wippe zu kippen, war ja schon einmal von einem zweiten Denkmalswettbewerb die Rede. Ein zweiter Kunstwettbewerb sei nötig, meint die ehemalige Leiterin des Kunstamtes Schöneberg und langjähriges Mitglied des Beratungsausschusses Kunst bei der Senatskulturverwaltung Katharina Kaiser im Gespräch mit der taz. Sie erinnert daran, dass 1975 zeitgenössische Künstler das Figurenprogramm der parkseitigen Balustrade des Charlottenburger Schlosses gestalten konnten. Warum also heute nicht die Kuppel des Humboldtforums? Und könnte ein junger, traditionsfreier, ideenreicher Kopfputz nicht auch den Geist des darunter entstehenden Museums beflügeln?

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