Kirche und Geflüchtete in Niedersachsen: Glaubwürdigkeit des Glaubens

Der hannoversche Landesbischof der evangelischen Kirche hat aufgerufen, Taufen Geflüchteter zu prüfen. Sie könnten ihre Abschiebung verhindern wollen.

Auf der Suche nach Gott oder einer Bleibe? Junge Geflüchtete inspizieren eine Kirchenunterkunft Foto: dpa

HANNOVER taz | Wenn Geflüchtete sich taufen lassen wollen, sollen die Kirchen diesen Wunsch kritisch prüfen, fordert der Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Ralf Meister. „Missbräuchliche, erschlichene Taufen können nicht geduldet werden“, sagte er der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung.

Er bezieht sich damit auf einen Fall aus Bayern, bei dem ein verurteilter Straftäter einen fünfjährigen Jungen in einer Unterkunft erstochen hatte. Der Afghane war nicht abgeschoben worden, weil er zum christlichen Glauben konvertiert war (siehe Kasten).

Im Aufenthaltsgesetz steht, dass Asylbewerber nicht in Staaten abgeschoben werden dürfen, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit wegen ihrer Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen oder politischen Gruppe bedroht ist – das gilt auch für Straftäter.

Laut der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, einer Nichtregierungsorganisation, müssen Christen in Afghanistan mit politischer Verfolgung und sogar ihrer Ermordung durch Angehörige rechnen. Es war daher begründet, dass das Verwaltungsgericht München den Straftäter nicht zurück nach Afghanistan geschickt hat.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte nach der Tat an Verwaltungsgerichte und Kirchen appelliert, die Glaubwürdigkeit der Aussagen von Asylbewerbern, die zum Christentum konvertiert sind, genau zu prüfen.

Ein Asylbewerber aus Afghanistan hat am vergangenen Samstag in einer Unterkunft im bayerischen Landkreis Cham einen fünfjährigen Jungen erstochen und dessen Mutter verletzt. Die Polizei erschoss den Täter.

Der 41-Jährige sollte eigentlich längst abgeschoben werden, da er eine schwere Brandstiftung begangen hatte und dafür zu fast sechs Jahren Haft verurteilt worden war. Doch weil er im Gefängnis zum Christentum konvertiert war, verhängte das Münchner Verwaltungsgericht ein Abschiebeverbot, da ihm in Afghanistan der Tod drohe.

Eben das hat Landesbischof Meister vor. Schon jetzt gingen jeder Taufe intensive Gespräche und in vielen Fällen Taufkurse voraus. „Da prüfen beide Seiten: Ist die Taufe und damit die Aufnahme in die christliche Kirche das Richtige?“ Dies sei eine gute Möglichkeit, um herauszufinden, ob das Taufbegehren der „ehrlichen Überzeugung“ eines Menschen entspreche, sagt Meister. Stelle sich heraus, dass die Konversion nur vorgeschoben sei – etwa um einer Abschiebung zu entgehen – „dann muss das Taufbegehren auch abgelehnt werden“. Das sei aber selten.

Dem Landesbischof ist es wichtig zu betonen, dass „nicht alle Menschen, die in Deutschland Zuflucht suchen und sich taufen lassen möchten, unter Generalverdacht gestellt werden“ dürften. „Ich glaube, dass die ganz große Mehrheit ein ehrliches Interesse hat – etwa weil es in den Herkunftsländern nicht die Möglichkeit gegeben hat, Christ zu werden.“

Trotzdem löst Meister mit seinem Interview eine Diskussion aus und erntet Kritik. Zum Beispiel vom niedersächsischen Flüchtlingsrat. „Ich hätte mir gewünscht, dass Ralf Meister sich mit der Nordkirche gemein macht und einen Abschiebestopp nach Afghanistan fordert“, sagt Kai Weber, der Geschäftsführer des Flüchtlingsrates. Stattdessen eröffne Meister ohne Not eine Debatte über religiöse Bekenntnisse. Natürlich könnten Geflüchtete lügen, doch für die Prüfung ihrer Aussagen gebe es Asylverfahren.

Auch dem grünen Landtagsabgeordneten Belit Onay geht die Diskussion in die falsche Richtung. Es herrsche schon jetzt eine „grundsätzliche Skepsis in Bezug auf die Fluchtgründe“ vor – eine solche Debatte könne das Verstärken. Zudem gebe es zu der Frage, ob es verstärkt zu Missbrauch der Konversion gekommen sei, keine Zahlen, sagt Onay.

Wie schon Meister selbst bestätigt auch der braunschweigische Landesbischof Christoph Meyns, dass es in seiner Kirche keinen Missbrauch der Konversion gebe – auch wenn das niemals völlig auszuschließen sei. „Wir haben nicht den Eindruck, dass Taufen leichtfertig durchgeführt werden“, sagt Meyns. Die Geflüchteten, die in seiner Kirche konvertiert seien, stammten in erster Linie aus dem Iran und hätten sich als Gewinn für die Gemeinden erwiesen.

Zuspruch bekommt Meister hingegen von der niedersächsischen CDU-Fraktion: „Unter Asylbewerbern hat sich hier und da herumgesprochen, dass Abschiebungen von Konvertiten vor unseren Verwaltungsgerichten scheitern können“, sagt Fraktionschef Björn Thümler. Deswegen sei es richtig, sich die jeweilige Lebenssituation des Taufbewerbers genau anzusehen. Um zu beurteilen, ob jemand fürs eine bessere Bleibeperspektive Christ werden will. „Missbräuchliche Taufen untergraben die Akzeptanz von Flüchtlingen in unserer Gesellschaft zusätzlich.“

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