Studie zu Altersarmut: Im Alter noch mal jobben

In 20 Jahren ist jeder fünfte Neurentner armutsgefährdet, bei den Singlefrauen sogar jede zweite. Mancher sucht sich heute schon einen Altersjob.

Eine ältere Dame umarmt einen älteren Herren

So wohl fühlen sich nicht alle im Alter Foto: imago/Westend61

BERLIN taz | Vielleicht ist Lutz Salbach ein Beispiel für die Zukunft. Der 67-jährige Akademiker und ehemalige Inhaber eines Medienbüros in Berlin bekommt seit zwei Jahren nur eine Minirente. Selbst gespart hatte er wenig, die Agentur lief nie so richtig. Bis vor kurzem bezog Salbach (Name geändert) aufstockende Grundsicherung im Alter. Aber neuerdings nicht mehr.

„Nur das lange Stehen ist mühsam“, sagt Salbach, „ansonsten macht der Job sogar Spaß“. Der Alleinstehende arbeitet neuerdings als Tankwart in Berlin. Zwei, drei Schichten in der Woche schafft der grauhaarige, studierte Soziologe, in die Kasse ist er jetzt eingearbeitet, und ja, es sind auch Putzarbeiten dabei. „Aber man kommt unter Leute, schräges Volk mit Autothemen, das hat auch was“, sagt er. Im Bekanntenkreis, in dem sich einige Freiberufler mit schlechter Rentenperspektive befinden, lauscht man interessiert Salbachs Tankwartgeschichten. Sie erinnern ein bisschen an früher, als Politologiestudenten von ihren Taxijobs erzählten.

Immer mehr Ältere arbeiten wie Salbach nach dem Eintritt ins Rentenalter. Laut Statistischem Bundesamt waren im Jahre 2005 nur 6,5 Prozent der 65- bis 70-Jährigen erwerbstätig. Zehn Jahre später hat sich die Quote schon auf 14,4 Prozent mehr als verdoppelt. Bei den Männern arbeiten 18,2 Prozent, bei den Frauen elf Prozent dieser Altersgruppe. Nach Überschreiten der Regelaltersgrenze können Ältere unbegrenzt hinzuverdienen, ohne dass der Verdienst auf die Rente angerechnet wird. Das neue Flexrentengesetz erlaubt zudem auch Einzahlungen in die Rentenkasse, die das Ruhegeld erhöhen, wenn man den Job wieder aufgibt.

Das Geld wird dringend benötigt. „Bis 2036 wird das Risiko für Altersarmut weiter steigen“, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Bertelsmann-Studie. Darin haben Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) aus Erwerbs- und Altersvorsorgedaten künftige Haushaltseinkommen errechnet. Im Jahre 2036 soll ein Fünftel der dann 67-jährigen NeurentnerInnen armutsgefährdet“ sein. Von den alleinstehenden Frauen ist es sogar jede zweite. Die Schwelle dieser „Armutsgefährdung“ liegt bei 60 Prozent des mittleren Einkommens, das sind derzeit 958 Euro Kaufkraft pro Person.

„Der Handlungsbedarf ist offenkundig“

Grundsicherung, also Hartz IV im Alter, beziehen weniger Menschen. In 20 Jahren werden nach Hochrechnung der Forscher ungefähr sieben Prozent der Neurentner auf Grundsicherung angewiesen sein. Auch hier sind alleinstehende Frauen, Migranten, Leute mit geringer Qualifikation aber besonders betroffen. Von den 67-jährigen Singlefrauen beziehen im Jahre 2036 etwa 28 Prozent Grundsicherung oder aufstockende Grundsicherung, errechneten die Forscher. Je nach Miethöhe liegt die Grundsicherung im Alter derzeit bei etwa 800 Euro inklusive der Wohnkosten.

Die Diakonie Deutschland forderte am Montag für alle, die 30 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben, eine Mindestrente, die höher sein sollte als die Grundsicherung. „Der Handlungsbedarf zur Verhinderung von Altersarmut ist offenkundig“, sagte Diakonie-Vorstand Maria Loheide mit Blick auf die Studie.

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