Neue EU-Regelung zu Bio-Lebensmitteln: Verkaufsstopp bei Pestizidverdacht

Wenn ein Biobauer Ackergifte in der Ernte vermutet, muss er künftig die Behörden einschalten. Die Dosis spielt keine Rolle. Das hat die EU vereinbart.

Ein Mann kniet auf einem Haufen Möhren, der sich auf dem Anhänger eines Traktors befindet

Bei Pestizidverdacht steht dem Bauern das Wasser bis zum …, ähm, die Ernte bis zu den Knien Foto: dpa

BERLIN taz | Die EU hat sich nach mehr als 3 Jahren Streit auf neue Regeln für die Erzeugung von Biolebensmitteln geeinigt. Die Europäische Kommission, das Parlament und der Rat der Mitgliedstaaten vereinbarten am Mittwochabend unter anderem folgende Punkte:

Biounternehmer müssen ab 2020 Vorsichtsmaßnahmen treffen, um zu verhindern, dass ihre Ware durch im Ökolandbau verbotene Pestizide oder andere Substanzen verschmutzt wird. Wenn Rückstände in nicht definierter Höhe in einem Produkt vermutet werden, müssen die Behörden informiert und darf das Produkt vorerst nicht als bio verkauft werden. „Falls die Kontaminierung vorsätzlich war oder der Bauer die neuen Vorsichtsmaßnahmen unterließ, wird es seinen Biostatus verlieren“, teilte das Parlament mit. Die Bioverbände hatten kritisiert, dass so eine Regelung Unternehmern und Ämtern unnötig Arbeit bereiten würde.

Anders als von der EU-Kommission gefordert, wird kein eigener Pestizidgrenzwert für Bioprodukte eingeführt. Vier Jahre nach Inkrafttreten der Regeln soll die Behörde aber einen Bericht über Rückstände in Ökoware und eventuell einen neuen Vorschlag für einen Grenzwert vorlegen. Die Kommission wollte mit dem Limit das Vertrauen in Bio stärken. Die Branche lehnt es aber ab, dass Biobauern dafür haften sollen, wenn von konventionellen Nachbarfeldern Pestizide herüberwehen.

Der Druck auf die Biobauern, ökologisch erzeugtes statt konventionelles Saatgut zu benutzen, soll steigen. Dafür muss jeder Mitgliedstaat eine Datenbank einrichten, die zeigt, welches Biosaatgut verfügbar ist. Deutschland hat so eine Datenbank schon. Wenn es nicht genügend Samen gibt, können die Behörden weiter konventionelles Material erlauben. Nach 2027 will die EU entscheiden, wann die Ausnahmen enden. Die Regelung soll den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Ländern fairer machen, denn bislang produzieren manche in größerem Umfang als etwa Deutschland mit dem billigeren konventionellen Saatgut.

Ab 2025 sollen für Importe von außerhalb der Europäischen Union grundsätzlich die gleichen Regeln gelten wie für im Inland erzeugte Ware. Bisher erarbeiten die Kontrollstellen für die einzelnen Länder eigene Standards, die von der Kommission genehmigt werden und in Details von der EU-Öko-Verordnung abweichen können. Nun soll die Verordnung direkt angewendet werden. Die EU-Kommission darf aber Ausnahmegenehmigungen für den Einsatz etwa bestimmter Pestizide erteilen, falls das beispielsweise das Klima in dem Land erfordern sollte. Betrugsanfällige Kontrollstellen in Nicht-EU-Ländern würden aber genauso schlecht überwacht wie bisher, so der deutsche Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW).

Die Kontrolleure sollen sich stärker auf die Betriebe konzentrieren, bei denen das Risiko für Regelverstöße besonders groß ist. Dafür müssen Betriebe mit geringem Risiko und ohne Verstöße in den vergangenen drei Jahren statt wie normalerweise jedes Jahr nur jedes zweite Jahr vor Ort überprüft werden. Das würde den Druck auf Inspektoren erhöhen, nichts zu finden, bemängelte Jochen Neuendorff, Chef der Göttinger Kon­troll­stelle GfRS. Hintergrund ist, dass die Betriebe sich die Kontrolleure selbst aussuchen und jede Kontrolle bezahlen müssen.

Der Entwurf der neuen Ökoverordnung erhöht den Druck, Biosaatgut zu benutzen

Der Einsatz von 5 Prozent konventionellen Eiweißfutter wie Soja bleibt bei Schweinen und Geflügel statt zwei noch fünf Jahre erlaubt.

„Wir haben den Tierschutz nicht wesentlich stärken können“, sagte der Verhandlungsführer des Parlaments, Martin Häusling (Grüne). So wird es weiter keine Obergrenze für die Tiere pro Betrieb und keine konkreten Vorgaben geben, wie gesund ein Biotier sein muss. Schnäbelkürzen wird ausnahmsweise weiter zulässig sein, wenn das auch in konventionellen Betrieben erlaubt ist. Frankreich hatte dies gefordert, weil dort verwendete Geflügelrassen aggressiver seien, und sich die Tiere deshalb eher gegenseitig verletzen würden.

Die EU-Institutionen erklärten, die Einigung sorge für faireren Wettbewerb und erhöhe das Verbrauchervertrauen. Der BÖLW wollte sich nicht inhaltlich zu der Einigung äußern, da der genaue Text bislang nicht vorlag. Er betonte jedoch, dass das Projekt immer noch verhindert werden könnte. Denn Parlament und der Rat der Mitgliedstaaten müssen der informellen Einigung noch offiziell zustimmen. Normalerweise ist das aber nur eine Formsache.

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