Juristen helfen freiwillig

Justiz Die linke Szene rechnet während der Proteste mit drastischen staatlichen Eingriffen. Sie will sich mit dem anwaltlichen Notdienst dagegen wappnen

Dürfen sie rein? Die Freiwilligen des Anwaltlichen Notdienstes sind sich noch nicht sicher, ob sie Zugang zu festgenommenen G20-Gipfel-Gegnern in der temporären Gefangensammelstellen im Hamburger Stadtteil Harburg haben Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

von André Zuschlag

Von links wird gegengerüstet: Für die Proteste während des G20-Gipfels laufen die Vorbereitungen auch auf juristischer Ebene an. Freiwillige Juristen haben einen anwaltlichen Notdienst eingerichtet, um Meinungs- und Versammlungsfreiheit durchzusetzen und die Arbeit der Polizei kritisch zu beäugen. „Wir werden da sein, wenn die Polizei möglicherweise versuchen wird, Fakten zu schaffen, die den Grundrechten widersprechen“, sagt Alexandra Wichmann, Juristin aus Hamburg. Mehr als 100 Freiwillige werden bereits ab Freitag bereitstehen, um die Proteste zu begleiten und Festgenommenen Rechtsbeihilfe zu leisten.

Trotz der rund 30 angekündigten Protestkundgebungen mit mehr als 100.000 erwarteten TeilnehmerInnen gilt auch in diesem Ausnahmezustand, dass sich die rund 20.000 im Einsatz befindlichen BeamtInnen an die rechtsstaatlichen Prinzipien halten müssen. Der anwaltliche Notdienst bezweifelt, dass dies auch geschieht. „Wir sind skeptisch“, sagt Wichmann. Es erscheine durchaus möglich, dass die Versammlungsfreiheit dem Sicherheitsbedürfnis der staatlichen Organe geopfert werden könnte. Wenn die Polizei das Gefühl verliere, alles im Griff zu haben, könne sie die Nerven verlieren, sagt die Juristin.

Die AnwältInnen werden bei Demonstrationen oder anderen Protestaktionen unmittelbar vor Ort sein, um die TeilnehmerInnen der Versammlungen zu unterstützen. Dort könnten auch die Polizeibehörden auf mögliche Rechtsverstöße hingewiesen werden. „Wir werden sehen, ob wir Gehör finden werden“, sagt Wichmann. Zu erkennen sind AktivistInnen des Notdienstes an pinken Leibchen mit „Legal Team“-Aufschrift.

Eine weitere zentrale Aufgabe wird die Vertretung von Festgenommen sein. Hierfür soll der Notdienst bei richterlichen Anhörungen Betroffene vertreten. Insbesondere im Stadtteil Harburg, wo die Behörden die umstrittene temporäre Gefangenensammelstelle (Gesa) eingerichtet haben, die Platz für bis zu 400 Festgenommene bietet, werden JuristInnen vor Ort sein. Ob sie aber dort überhaupt Zugang bekommen, ist noch fraglich. „Gerade die Hamburger Polizei und ihr G20-Einsatzleiter Hartmut Dudde sind bekannt für rechtswidrige Maßnahmen“, erklärt Wichmann. „Beim G20-Gipfel rechnen wir mit ähnlichen Aktionen.“

Auch das sogenannte Unverzüglichkeitsgebot, nach dem eine Ingewahrsamnahme durch die Polizei unverzüglich von einem Richter geprüft werden muss, werde allein aus logistischen Gründen wohl nur schwer eingehalten werden. „Bei dem prognostizierten Verkehrschaos kann es Stunden dauern, ehe der Transport in Harburg angekommen ist“, befürchtet Wichmann. Telefonisch zu erreichen ist der anwaltliche Notdienst über die Notfallnummer des Ermittlungsausschusses (EA). Dort sind rund 50 AktivistInnen im Einsatz, die Notrufe, etwa bei Festnahmen oder medizinischen Versorgungsproblemen, entgegennehmen. „Wer festgenommen wird, sollte sich bei uns melden, damit wir die Person mit dem anwaltlichen Notdienst vermitteln können“, sagt einer der Aktivisten, der namentlich nicht genannt werden möchte. Der Notdienst wird dann versuchen herauszufinden, wo sich die Person befindet, und ihr eine anwaltliche Vertretung des Notdienstes organisieren.

Neben der Telefonberatung wird der EA auch unmittelbare Sprechstunden an verschiedenen Orten in der Stadt anbieten. Wer etwa medizinische oder psychologische Betreuung benötigt, wird vom EA mit freiwilligen SanitäterInnen versorgt.

Dass viel Arbeit auf den anwaltlichen Notdienst und den EA in den nächsten Tagen zukommen wird, ist allen klar: „Die Erfahrungswerte mit der Hamburger Polizei und allgemein bei ähnlich großen Protesten in der Vergangenheit sind leider so“, sagt der EA-Aktivist. Dennoch sehen sie sich gut vorbereitet und wollen mit ihrer Arbeit auch für den Protest mobilisieren.