Kommentar Linke Gewalt beim G20-Gipfel: Besser Geist als Flaschen

Es ist traurig, aber die Polizei hat Recht: Die gewaltbereite Linke gibt es. Bisher bestand sie aus einer Minderheit – und so wird es hoffentlich bleiben.

Vermummte Demonstranten

In der Vergangenheit kam es öfter zu Auseinandersetzungen: 2013 vor der „Roten Flora“ in Hamburg Foto: dpa

Wenn in Deutschland Menschen gegen die Gipfeltreffen der Mächtigen demonstrieren, stehen am Ende zwei deprimierende Erkenntnisse. Erstens: Die Polizei lügt. Zweitens: Die Polizei hat recht.

Sie hat recht, wenn sie vor Gewalt warnt, weil Polizisten während der Proteste rund um solche Gipfel regelmäßig vorsätzlich angegriffen werden. Verständlich, dass Thomas de Maizière vor „gewaltbereiten Linksextremen“ warnt. Polizisten mit Steinschleudern oder Flaschen gezielt anzugreifen, ist jedenfalls keine „Aktionsform“, wie im Sprech der Gipfeldemovorbereitung gern euphemisiert wird. Es ist Gewalt.

Auch ein Argument der Polizei stimmt: Zumindest während des G8-Gipfels 2007 in Heiligendamm hat der Schwarze Block erst die Polizei angegriffen und sich dann in den Camps unter den friedlichen Demonstranten versteckt. Der Reflex, das in Hamburg verhindern zu wollen, ist verständlich.

Und trotzdem falsch. Zur Tatsache von Gewalt unter den Protestierenden gehört auch, dass die große Mehrheit pazifistisch gesinnt ist – auf jeder Demo stehen neben einem Steinwerfer zehn Empörte, die ihn zur Schnecke machen. Die Gewaltfrage ist so alt wie der Protest gegen staatliche Gewalt, Unterdrückung, Umweltzerstörung und Ausbeutung. Die Gewaltbereiten waren schon immer eine kleine Minderheit. Sie werden es bleiben.

Zum Gipfelprotest gehören genauso Innenminister, die Mondzahlen über „gewaltbereite Linksextreme“ in die Welt setzen. Und dazu gehört eine Polizei, die Mondzahlen über verletzte Beamte nennt. 2007 in Heiligendamm machte sich die Polizei lächerlich, als sie behauptete, von Protest-Clowns mit Säure attackiert worden zu sein – was sich am Ende als Seifenblasenwasser herausstellte. Die Kriminalisierung von Protest, teilweise mit platten Lügen, gehört ebenfalls zur traurigen Tradition deutscher Sicherheitsbehörden.

Am 7. und 8. Juli treffen sich in Hamburg die Staatschefs der größten Industrie- und Schwellenstaaten zum G20-Gipfel. Die taz berichtet dazu in einem laufend aktualisierten Schwerpunkt und ab dem 1. Juli mit täglich 8 Sonderseiten.

Darf die Polizei in Hamburg also das Übernachten in Protestcamps verbieten? Nein, darf sie nicht. Solche Camps sind die Keimzelle politischer Bewegungen, hier entstehen der Geist und die Begeisterung, mit der Menschen die Gesellschaft verändern. Das ist wichtiger als die Prävention von Gewalt einiger weniger.

Dass die Polizei trotzdem Verbote versucht, ist aber nicht reine Willkür. Sondern die Folge dessen, was im Behördensprech „linksextreme Gewalt“ heißt.

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Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.

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