Kommentar Eskalationen im Nahen Osten: Gewalt wird mit Gewalt vergolten

Der Abschuss eines syrischen Kampfflugzeugs ist Symptom eines erbitterten Verteilungskampfs. Der findet längst nicht mehr nur in Syrien statt.

Eine Frau mit zwei Kindern, verzweifelter Gesichtsausdruck

Seit Beginn der Kämpfe in Mossul im Oktober sind 750.000 Menschen geflohen Foto: dpa

Erstmalig wurde ein Kampfflugzeug der syrischen Regierungsstreitkräfte durch die USA abgeschossen. Diese jüngste Eskalation im syrischen Vielfrontenkrieg war schon länger absehbar. Denn neben der Verdrängung des „Islamischen Staats“, die alle inner- wie außersyrischen Kriegsbeteiligten laut eigener Bekundung angeblich anstreben, geht es bei den Schlachten um Takba, Rakka sowie demnächst auch das ölreiche Deir al-Sor in Ostsyrien längst um die Verteilung der Beute.

Syrische Regierungsstreitkräfte, „radikal islamistische“ wie „gemäßigte, demokratische“ Rebellengruppen und auch die Kurden kämpfen zumeist gegeneinander. Manchmal – aus taktischen Gründen – aber auch miteinander, sowie mit Unterstützung ihrer jeweiligen ausländischen Verbündeten (Iran, Saudi-Arabien, USA oder Russland) um die Kontrolle der ehemals oder zur Zeit noch vom IS beherrschten Städte und Regionen.

Eine ähnliche Auseinandersetzung führen im Nachbarland Irak die dortigen Regierungstruppen und die Kurden bei der Schlacht um das derzeit noch zur Hälfte vom IS besetzte Mossul. Hier droht zudem, nach der jüngsten Ankündigung eines Referendums über einen unabhängigen Kurdenstaat im Nordirak, das militärische Eingreifen der Türkei.

Die USA bemühen sich um Entspannung im Streit mit Russland nach dem Abschuss eines syrischen Kampfjets. Generalstabschef Joseph Dunford kündigte an, an einer Wiederaufnahme der von Russland gekappten Kontakte zur Vermeidung von Zwischenfällen im syrischen Luftraum zu arbeiten. Als Reaktion auf den Abschuss des Kampfflugzeugs durch einen US-Jet hatte die russische Regierung angekündigt, alle Objekte im russischen Einsatzgebiet über Syrien als Ziele zu betrachten. Australien hat seine Luftangriffe auf IS-Ziele in Syrien deswegen ausgesetzt. Es war der erste Abschuss eines syrischen Kampfflugzeugs in dem seit sechs Jahren anhaltenden Bürgerkrieg.

Doch nicht nur in Syrien und im Irak eskalieren die Konflikte. Saudi-Arabien nahm am Wochenende drei iranische Soldaten fest, die angeblich mit terroristischen Absichten in die saudischen Hoheitsgewässer im Golf eingedrungen waren. Iran beschoss am Montag zur „Vergeltung“ der jüngsten Terrorakte in Teheran, für die der lange Zeit von Saudi-Arabien unterstützte IS die Täterschaft reklamiert hat, IS-Stellungen in Deir Essor mit Raketen.

Zur Begründung dieses ersten iranischen Raketenangriffs auf Ziele im Ausland seit dem Golfkrieg gegen Irak in den 80er Jahren erklärte die Armeeführung in Teheran, dass sich „die Verteidigung Irans angesichts der Bedrohung durch Terroristen und andere Feinde nicht mehr auf die Grenzen des Landes beschränkt“.

Dieser Satz erinnert in fataler Weise an die Rechtfertigungen, mit denen die USA seit den Anschlägen vom 11. September 2001 den weltweiten, überwiegend mit völkerrechtswidrigen Mitteln geführten „Krieg gegen den Terrorismus“ betreiben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.