Ehe für alle

Was es bedeutet, wenn an diesem Freitag im Bundestag die letzten juristischen Diskriminierungen von Lesben und Schwulen fallen

Die Ehe für alle ist wohl kein Fall für das Verfassungsgericht

Recht Die endgültige Gleichstellung hat vor allem symbolische Bedeutung. Der gemeine Bürger kann nicht in Karlsruhe gegen das Gesetz klagen

KARLSRUHE taz | „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“ Mit diesem Satz soll die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert werden. Die 13 Worte sollen in Paragraf 1353 BGB eingefügt werden.

Aus der Union war immer wieder zu hören, dass eine so grundsätzliche Änderung des Ehebegriffs eine Grundgesetzänderung erfordere. Diese ist nun aber nicht vorgesehen. Viele Beobachter gehen deshalb davon aus, dass am Ende das Bundesverfassungsgericht entscheiden muss.

Dazu wird es aber möglicherweise gar nicht kommen, weil sich kein geeigneter Kläger findet. Denn die Ehe für alle setzt niemanden in Nachteil. Also kann auch kein Bürger Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz erheben.

Das Gesetz könnte nur durch eine „abstrakte Normenkontrolle“ (eine Klage ohne Fall) zum Bundesverfassungsgericht kommen. Antragsbefugt sind hierfür die Bundesregierung, jede Landesregierung sowie ein Viertel der Bundestagsabgeordneten. Als die eingetragene Lebenspartnerschaft 2001 eingeführt wurde, klagten Bayern, Sachsen und Thüringen. Heute wird nicht einmal mit einer Klage aus Bayern gerechnet, nachdem die CSU ihren Abgeordneten freistellte, wie sie am Freitag abstimmen. Möglich wäre zwar auch eine Klage von mindestens 158 individuellen CDU/CSU-Abgeordneten (das wäre etwas mehr als die Hälfte der Fraktion); doch nicht jeder, der das Vorhaben am Freitag ablehnt, dürfte sich auch einer Verfassungsklage anschließen.

Eine Verfassungsklage wäre auch deshalb unattraktiv, weil sie ziemlich sicher abgelehnt würde. Denn die Ehe für alle widerspricht nicht dem ­Grundgesetz. Dort heißt es in Arti­kel 6 nur: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“ Was eine Ehe ist, definiert die Verfassung also gar nicht, sie überlässt dies dem Gesetzgeber.

Zwar ging auch das Bundesverfassungsgericht bisher davon aus, dass mit „Ehe“ eine Verbindung „von Mann und Frau“ gemeint sei. Karlsruhe hat deshalb Klagen von Homo-Aktivisten abgelehnt, die sich Anfang der 1990er Jahre in der „Aktion Standesamt“ das Recht, zu heiraten, erstreiten wollten. Die Richter stellten aber schon damals klar, dass eine Änderung der „herrschenden Auffassungen“ vom Wesen der Ehe möglich ist. Ein solcher Wandel werde dann aber typischerweise „in der gesetzlichen Regelung“ zum Ausdruck kommen. Die Richter wollten also die Ehe für alle nicht gegen eine parlamentarische Mehrheit durchsetzen. Es ist aber fast unvorstellbar, dass Karlsruhe einer neuen parlamentarischen Mehrheit, die den Willen von 80 Prozent der Bevölkerung repräsentiert, in den Arm fallen würde.

Die praktischen Folgen der Ehe für alle sind heute deutlich geringer als ihre symbolische Bedeutung. Da die eingetragene Partnerschaft inzwischen der Ehe weitgehend angeglichen ist, gibt es kaum noch Unterschiede. Selbst das Fehlen der Möglichkeit, ein Kind gemeinsam zu adop­tieren, ist praktisch kaum relevant, weil derzeit eben erst der eine Partner das Kind adoptiert und dann der andere.

Derzeit gibt es in der Bundesrepublik Deutschland rund 45.000 eingetragene Partnerschaften. Diese können laut dem vorliegenden Gesetzentwurf bestehen bleiben. Sie können aber auch in eine klassische Ehe umgewandelt werden – durch ein erneutes Ja beider PartnerInnen im Standesamt. Neue eingetragene Partnerschaften können ab Inkrafttreten des Gesetzes aber nicht mehr geschlossen werden. CHRISTIAN RATH