Abbas Machtkampf um Gaza: Die Islamisten bleiben hart

Weniger Strom, weniger Wasser, weniger Geld – so will Palästinenserpräsident Abbas den Abzug der Hamas erzwingen. Ein neuer Krieg ist denkbar.

Hamas-Kämpfer mit Gewehren

Dschihadistische Entschlossenheit: Hamas-Kämpfer im südlichen Gazastreifen Foto: reuters

GAZA taz | Palästinenserpräsident Mahmud Abbas will die gegnerische Führung der Hamas im Gazastreifen in die Knie zwingen. Seit zehn Jahren bezahlt die im Westjordanland ansässige Palästinensische Autonomiebehörde (PA) die monatlichen Gehälter für die PA-Beamten und die Rechnungen für die öffentliche Strom- und Wasserversorgung sowie die Lieferungen von Arzneimitteln und Equipment an die Krankenhäuser in Gaza.

Damit ist nun Schluss. Abbas kürzte Beamtengehälter, schickte Tausende in die Frührente, und er dreht den Geldhahn weiter zu. Doch die islamistische Führung lässt sich zur Kooperation nicht zwingen und schaltet auf stur. Die Bevölkerung fürchtet nun die komplette Abkoppelung des Gazastreifens vom Westjordanland.

Was passiert, wenn Abbas den Gazastreifen zum Rebellen­terrain erklärt und sich der Verantwortung für die zwei Millionen Palästinenser, die dort leben, komplett entzieht?

Ende April kündigte Hamassprecher Mushir Al Masri an, die Hamas halte einen Aktionsplan parat für den Fall, dass sich Abbas vom Gazastreifen lossagt. Daraus lässt sich schließen, dass die Hamas die Herausforderung annehmen wird, den Gazastreifen ohne die finanziellen Mittel der PA zu verwalten.

Blockade gegen die Hamas verschärfen

Strengere Maßnahmen gegen politische Kritiker sind zu erwarten, um jeden Versuch eines Aufstands frühzeitig zu ersticken. Die Hamas wird ferner versuchen, ihre Beziehungen zu Nichtregierungsorganisationen zu intensivieren, um sie zur Unterstützung der ärmsten Menschen im Gazastreifen zu motivieren.

Eine humanitäre Katastrophe und der Ausnahmezustand wären dennoch kaum zu verhindern, wenn die Hamas nur die Gehälter der eigenen Beamten bezahlt, jedoch weder die der PA-Beamten noch die Rechnungen für Strom, Wasser, Gesundheit und Erziehung. Ob Katar oder die Türkei in einem solchen Fall mit humanitärer Hilfe einspringen würden, bliebe abzuwarten.

Unter dem Namen „Veränderung und Reform“ entschied die Liste der Hamas die palästinensischen Parlamentswahlen im Januar 2006 für sich, sie scheiterte dann aber an führenden Fatah-Funktionären, die nicht bereit waren, trotz verlorener Wahl ihre Posten zu verlassen. Der Machtkampf eskalierte, als im Juni 2007 im Gazastreifen ein Bürgerkrieg ausbrach.

Innerhalb von vier Tagen erkämpfte sich die Hamas die Kontrolle, die ihr politisch lange zustand. Die Führung der Fatah floh weitgehend vor den neuen Machthabern. Es kam zur politischen Spaltung zwischen dem Westjordanland und dem Gazastreifen. Israel erklärte den Gazastreifen zum „feindlichen Gebiet“ und verhängte eine Land- und Seeblockade.

Sicher ist, dass Israel unter verstärkten Druck geriete, die Belagerung Gazas zu beenden. Politischer Nutznießer könnte der frühere Geheimdienstchef der Fatah im Gazastreifen, Mohammed Dahlan, werden, wenn er durch seine aktuelle Vermittlerrolle zwischen Kairo und Gaza eine Wiedereröffnung der Grenze in Rafah durchsetzt.

Denkbar wäre auch ein neuer Krieg. Israel könnte die mögliche Entscheidung von Abbas, den Gazastreifen zum Rebellen­terrain zu erklären, dazu missbrauchen, die Blockade gegen die Hamas zu verschärfen, sämtliche Handelsübergänge zu schließen sowie die finanziellen Transaktionen zu den Banken in Gaza zu stoppen. Darauf würde der militärische Flügel der Hamas mit gezielten Vergeltungsaktionen regieren.

Bevor es zur Explosion kommt

Israel ist derzeit indes nicht an einem neuen Krieg in Gaza interessiert, deshalb ist wahrscheinlicher, dass Israel nach dem Prinzip vorgehen wird, „dem Ballon etwas Luft ablassen, bevor man ihn platzen lässt“, sprich: die Blockade gegen den Gazastreifen zu erleichtern, bevor es zur Explosion kommt.

Ein letztes Szenarium wäre der Aufstand. Sollte der Sicherheitsapparat der Hamas infolge der neuen Not die Kontrolle über Gaza verlieren, könnte es zu einer Spaltung in der Bewegung kommen und zu einem Coup gegen das Hamas-Regime, zu schlimmer Gewalt und zu Chaos.

Dieses Szenarium ist insofern unwahrscheinlich, da die Hamas bekannt ist für die Stärke seiner internen Struktur und die Loyalität ihrer Mitglieder, die das islamistische Gedankengut und die Hamas-Ideologien verinnerlicht haben und die dem Prinzip „Höre und gehorche“ folgen sowie dem starken Glauben an dschihadistische Schlachten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.