Großdemonstration in Hamburg: Bunte Mischung gegen den Gipfel

Fast 80.000 Menschen protestieren im friedlichen Zug für grenzenlose Solidarität. Am Ende will die Polizei eine Wiese schützen.

Demonstranten auf der Reeperbahn

Großer, friedlicher Protest: Die Demonstration „Grenzenlose Solidarität statt G20“ am Samstag Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Erwartungen waren enorm, aber sie wurden erfüllt: ein nicht zu überblickender Demozug von annähernd 80.000 Menschen ist am Samstag gegen das Treffen der G20 durch Hamburg gezogen.

Nach den schweren Ausschreitungen in der Nacht zuvor im Schanzenviertel war die Frage, ob dies Beteiligung an dem Protestzug schmälern würde. Doch das war nicht der Fall. Die Veranstalter sprachen zunächst von etwa 40.000 Menschen, die sich ab 11 Uhr vor den Deichtorhallen in der Nähe des Hauptbahnhofs versammelt hatten.

Als die Spitze des kilometerlangen Zuges gegen 15 Uhr die Reeperbahn erreichte, korrigierten sie die Zahl auf 76.000. Die Polizei will am Ende 50.000 gezählt haben.

„Grenzenlose Solidarität statt G20“ war das Motto, aufgerufen hatten unter anderem die Partei die Linke, die Interventionistische Linke, der Kurdenverband Nav-Dem, die Gewerkschaftsjugend, die Rote Flora und kirchliche Gruppen. Anmelder war der linke Bundestagsabgeordnete Jan van Aken aus Hamburg.

„Es ist fantastisch, wie viele Leute trotz wochenlanger medialer Hetze auf die Straße gegangen sind“, sagt Florian Wilde von der Linken, der den Lautsprecherwagen moderierte. Seit Wochen habe Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) mit Gewaltszenarien versucht, auch die Samstagsdemo zu diskreditieren.

„Wahrnehmbares Signal“

„In der Polarisierung zwischen neoliberaler Mitte und Rechtspopulismus waren linke Alternativen kaum noch wahrnehmbar“, sagt Wilde. Die Demo habe dies durchbrochen und ein „weltweit wahrnehmbares Signal für antikapitalistische Alternativen gesetzt“.

Die Innenbehörde und Polizei hatten gewarnt, dass sich die Randalierer vom Vorabend unter den Zug mischen würden. Polizeispaliere begleiteten Blöcke der Demo mit schwarz gekleideten Menschen. Teilweise schloss sich eine Truppe von Clowns dem Spalier an. Eine andere Truppe in silberne Folien gekleideter Demonstranten hielt den Polizisten Aluspiegel mit der Aufschrift „verboten“ entgegen.

Von kleineren Rangeleien abgesehen ließen die Beamten den Zug laufen. Ausschreitungen gab es bis 17 Uhr nicht. Eine Person wurde in Gewahrsam genommen, eine Person laut Veranstalterangaben verletzt.

Nur am Ende des Zuges war die Polizei massiver eingeschritten. Augenzeugen berichten, dass Polizisten einen kommunistischen Schwarzen Block gestürmt haben. Zehn Demoteilnehmer seien von der Polizei herausgezogen und in der Nähe der St. Michaelis Kirche eingekesselt worden. Die Polizei gab später an, sie habe wegen Vermummungen und weiterer Straftaten „eine etwa 120 Personen umfassende Gruppe aus dem Demonstrationszug separieren“ wollen. Die Beamten seien geschlagen und getreten worden.

Bunte Mischung

„Überlegt euch gut, welche Bilder ihr produzieren wolllt, lasst das hier sein, was es ist: Ein Fest der Solidarität“, sagte eine Rednerin vor Beginn der Abschlusskundgebung in Richtung der Polizei.

Alle denkbaren linken Gruppen, NGOs und AktivistInnen, die am Vortag die Protokollstrecken der Gipfelgäste blockiert hatten, waren auf der Straße. Die Demonstranten einte eher ein Gefühl als gemeinsame Themen: Einzelne ukrainische Nationalisten waren ebenso dabei wie türkische Kommunisten, Umweltschützer, Globalisierungskritiker und Gewerkschafter. Auch einzelne Fahnen der Grünen waren zu sehen.

Ein großer Block der Seenotrettungs-NGO Sea Watch machte das Flüchtlingssterben im Mittelmeer zum Thema: „Stoppt den Krieg gegen MigrantInnen“ stand auf ihrem Transparent.

Besondere Präsenz zeigten KurdInnen, die weite Teile des Demozugs dominierten und gegen den türkischen Präsidenten Erdoğan demonstrierten. Sie setzten sich über das kürzlich verschärfte Verbot, die Symbole kurdischer Organisationen zu zeigen, hinweg. Viele solidarisierten sich, sie nahmen kleine Fähnchen der syrischen Kurdenorganisationen entgegen und riefen: „Weg mit dem Verbot der PKK“.

Und dann der Wasserwerfer

Am Ende bekam der Demozug fast Festivalcharakter. Am Millerntordamm dröhnten Soundsysteme von Lastwagen. Die Menge tanzte gegen G20, erst auf der Straße dann im daneben liegenden Alten Elbpark.

Der Polizei aber gefällt das nicht. Erst postiert sie zwei Wasserwerfer mit Blickrichtung auf die entspannt und demonstrativ Feierenden. Weil der Rasen des Alten Elbparks in Gefahr sein könnte, kommt es dann zu einem absurden Polizeieinsatz. Behelmte Polizisten umringen einen Landrover mit Disko-Aufbau. Dort legt ein Techno-DJ auf und verschießt manchmal Seifenblasen zur Freude der tanzenden DemoteilnehmerInnen. Der Wagen soll zurück auf den Asphalt. Kurz entschlossen formiert sich eine Sitzblockade vor dem eigenen Lautsprecherwagen. Der DJ bittet, den Weg frei zu machen. Zunächst bleibt alles friedlich.

Doch dann eskaliert die Situation. Die Polizei beginnt, Einzelne aus der tanzenden Menge herauszugreifen. Und setzt dann auch den Wasserwerfer ein. Die Polizei begründet das mit Flaschenwürfen auf Beamte. Sie gehe nun gegen Störer vor.

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