„Morgenmagazin“ von ARD und ZDF: Vom „Moma“ zum „Mima“

Willkommen im TV-Gemischtwarenladen: Das öffentlich-rechtliche Frühstücksfernsehen „Morgenmagazin“ feiert sein 25. Jubiläum.

Drei Leute im TV-Studio

Maybrit Illner, Dieter Stolte und Cherno Jobatey bei der ersten Sendung des ZDF-“Moma“, 1992 Foto: Jürgen Dettmers / ZDF

Benjamin Stöwe, der Wettermoderator, ist leider nicht im Studio. Er ist auf „Moma“-Jubiläumstour und präsentiert das Wetter jeden Tag aus einem anderen Ort. Heute: Abentheuer, Rheinland-Pfalz. Dabei hätten ihn die Leute, die später als Gäste ins ZDF-„Morgenmagazin“ kommen, bestimmt gern gesehen.

Wobei – heute kommen nur drei Schulklassen, und die interessieren sich eh nicht so richtig für die Sendung. Ganz anders als die Seniorengruppen, die oft zu Gast sind. Die lieben den Wettermann und die „mo:ma“-Tassen, und das ist ja auch das Beste und Wichtigste im „Morgenmagazin“, oder? Nicht ganz.

Es ist Montag, 5.06 Uhr: Noch knapp drei Stunden, bis die Schulklassen ins Moma-Café im Foyer des ZDF-Hauptstadtstudios kommen. Um 5.30 Uhr beginnt die Livesendung, in der Bildregie ist der Abgleich der Studiokameras fast fertig. Auf den Bildschirmen an der Wand sieht man die noch leere Kulisse im Studio 1, hier wird der Großteil der Sendung produziert. Nur die letzte halbe Stunde wird mit Publikum gesendet.

Die Schalten stehen schon – eine nach Abentheuer zu Wettermann Stöwe, eine nach Mainz, wo aus dem „heute“-Studio, der grünen Hölle, die Nachrichten gesendet werden. Später wird es auch noch eine Schalte nach München geben und eine nach Holland vor das Quartier der deutschen Nationalelf.

Dreieinhalb Stunden Livesendung

Die beiden Hauptmoderatoren Jana Pareigis und Mitri Sirin schreiben gerade ihre Texte. Ein Supervisor ist mit ihnen während der Sendung verbunden, schlägt die nächste Frage vor oder gibt die Zeit durch.

Dreieinhalb Stunden Livesendung liegen vor dem rund 30-köpfigen Team. Mo­de­ra­to­r*in­nen, Maske, Kameramänner und Kabel­hilfen, die Aufnahmeleiterin, der Regisseur, Bildmischerinnen, ein Warm-upper für die Gäste, ein Reporter, der rausgeschickt wird, wenn’s brennt. Die Redakteur*innen sind zu Hause, denn das „Moma“ ist ein Schichtbetrieb.

Chatverläufe, Likes sammeln und Selfie-Sticks: Das Smartphone wird zehn. Die taz.am wochenende vom 22./23. Juli zeigt, wie sich durch Wischen und Snappen die Welt von Kindern und Jugendlichen verändert hat. Außerdem: Ein Gespräch mit Barbaros Şansal, türkischer Modedesigner und Aktivst über die First Lady Emine Erdoğan und Fäkalsprache. Und ein Selbsttest: fleischloses Wurstvergnügen zur Grillsaison. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Die Sendung funktioniert wie ein Bauchladen: Politik und Sport gibt es, Wetter natürlich, Service, Kultur und Vermischtes. Dieses Prinzip hat sich von Anfang an bewährt und dieser Anfang jährt sich nun zum 25. Mal.

Morgens

Rückblick: Golfkrieg 1991. Während die USA irakische und kuwaitische Städte angreifen und sich später Saddam Hussein zurückzieht, möchten ARD und ZDF ihre Zuschauer*innen auch morgens über die Geschehnisse der Nacht informieren. Damals gibt es keine Nachrichten in den frühen Stunden, nur Frühstücksfernsehen bei den privaten Sendern.

Weil die Sondersendungen zum Golfkrieg gut ankommen, einigen sich ARD und ZDF, den Sendeplatz für ein Nachrichtenmagazin zu teilen und so Kosten zu sparen. Eine Woche sendet die ARD aus Köln, in der nächsten das ZDF aus Berlin. Am 20. Juli 1992 ging das ZDF mit dem „Moma“ auf Sendung, eine Woche zuvor hatte die ARD vorgelegt.

Eine Erfolgsgeschichte, dabei war am Anfang gar nicht klar, ob das funktioniert, denn in Deutschland stehen nicht so viele Fernseher in der Küche wie zum Beispiel in den USA. Doch die Zahlen steigen seit 25 Jahren stetig. Begonnen mit 1,72 Mil­lio­nen, liegt die Quote mittlerweile bei 3,9 Millionen über die gesamte Sendezeit. Pro Minute schauen ungefähr 700.000 Menschen zu. Die beiden Morgenmagazine von ARD und ZDF sind die meist gesehenen Programme am Morgen.

7.10 Uhr: Der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer ist zugeschaltet. Es geht um die Obergrenze für Geflüchtete. Als Jana Pareigis fragt, ob EU-Mitgliedsstaaten, die keine Geflüchteten aufnehmen, sanktioniert werden sollen, kommt Scheuer ins Schwimmen. Seine Antworten bleiben vage. Pareigis unterbricht, hakt nach.

Gern auch mal eine Straßenumfrage

Genau das sei ihre Aufgabe als politische Moderatorin, sagt sie später im Büro. Mitri Sirin sitzt ihr gegenüber. „Man wirkt immer unhöflich als Moderator, wenn man in einer Schalte dazwischen geht. Und trotzdem muss man reingehen“, sagt er. „Politiker sind sehr geschult. Sie wissen natürlich, dass sie, je länger sie sprechen, weniger Fragen beantworten müssen.“

Fünf, maximal sechs Minuten bleiben für die Interviews. Nicht besonders viel. Für die Sendung ist es trotzdem wichtig, dass jeden Tag die erste und zweite Reihe der Bundespolitik im Studio steht oder zugeschaltet ist.

„Wir wollen die politische Debatte des Tages einläuten. Und dafür gibt es vor allem den Deutschlandfunk und das ‚Morgenmagazin‘ “, sagt Redaktionsleiter Andreas Wunn. In seinem Büro läuft stumm der Fernseher weiter, in Studio 1 interviewt Mitri Sirin gerade Hubertus Heil. Das „Moma“ wolle bunt und abwechslungsreich sein, sagt Wunn. „Aber der Fokus liegt klar auf Aktualität.“

Das ZDF sendet sein Morgenmagazin aus Berlin, mit der Politik direkt vor der Tür. Die ARD muss für Politikerinterviews ins eigene Hauptstadtstudio schalten. Dafür gibt es ein bisschen mehr Servicethemen, gern auch mal eine Straßenumfrage.

Seit 2009 konzentriert sich das ZDF-Pendant mehr auf aktuelle Politik. Damals wurde Wulf Schmiese als Hauptmoderator ins „Moma“ geholt. Eine Überraschung, denn Schmiese war bis dahin politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Ein Printmann, der die politische Berichterstattung stärken sollte.

Der „Innovationsmotor“

Schlüsseljahr war 2015: Im Oktober fuhr Dunja Hayali für das „Moma“ nach Erfurt auf eine Demonstration der AfD. Der Beitrag, den sie mitbrachte, sorgte für viel Aufmerksamkeit. Die einen feierten sie dafür, auf die Demons­tranten zuzugehen und einfach zu fragen, weshalb sie gekommen seien. Die anderen schrien „Lügenpresse“ und „Zensur“.

„Wir haben danach das Rohmaterial ins Netz gestellt. Da ist es dann explodiert. Von da an war Dunja und das Thema Hate Speech sehr stark im Fokus“, sagt Mitri Sirin. Die Polarisierung der politischen Landschaft hat das „Moma“ politisiert. „Wir sind im ‚Morgenmagazin‘ viel härter als noch vor ein paar Jahren und machen auch unsere halben Stunden regelmäßig mit den großen politischen Themen auf“, sagt Wunn.

„Innovationsmotor“, nennt ZDF-Chefredakteur Peter Frey die Sendung. Aber wie viel Innovation passt in ein Format, das so durchgetaktet und vollgepackt ist? Alle halbe Stunde Nachrichten, ein kurzes Interview, Kultur, Sport, ein biss­chen Service, Wetter, ein kleiner Plausch am Rande. Und wieder von vorn.

Vielleicht ist damit aber auch eben dieser Umgang mit den Aufnahmen der AfD-Demonstration gemeint. Die journalistische Arbeit transparent machen ist ein Thema, das viele Redaktionen beschäftigt. Es ist der Versuch, irgendwie damit umzugehen, dass immer mehr Menschen alternativen Medien vertrauen, wo sich Hass, Verschwörungen und Medienkritik vermengen.

In der Herangehensweise ist das keine Innovation. Quellen prüfen, sich ein Bild von der Lage machen gehörte schon immer zum Handwerk. Aber wie Journalismus vermittelt wird, ist neu. „Ich glaube, was sich generell verstärkt, ist, dass man noch stärker zu Menschen geht“, sagt Pareigis. Dies sei auch im Hinblick auf die Bundestagswahl wichtig. „Wie können wir eine Verbindung zu den Menschen herstellen?“

Mittags

Die größte Reform steht aber 2018 noch bevor: Das ZDF-„Mit­tags­magazin“ zieht von Mainz nach Berlin und wird von derselben Redaktion verantwortet. „Das ‚Mima‘ aus Berlin wird politischer werden, und es wird mehr prominente Gäste geben“, sagt Wunn. Die ARD macht es genauso: Ihr Mittagsmagazin wird künftig vom Rundfunk Berlin-Brandenburg produziert, dessen Intendantin Patricia Schlesinger ihrem Sender ein stärkeres politisches Profil geben will. Das ARD-„Mima“ wird sogar in dasselbe Studio ziehen.

„Das technische Personal kommt von beiden Sendern, die Redaktion wird strikt getrennt. Das ist eine Kooperation zwischen ARD und ZDF, die es so in der Form bei einer täglichen Regelsendung bisher nicht gab“, sagt Wunn. Konkurrenz, könnte man sagen, belebt das Geschäft.

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