IS-Terrorist oder naiver Betrüger?

JUSTIZ In Saarbrücken steht ein Syrer vor Gericht, der einen Anschlag plante. Oder doch nicht?

Der vermeintliche IS-Kontaktmann von Hasan A. arbeitete für den BND

SAARBRÜCKEN taz | Kann man ungestraft die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) betrügen? Die Version des mutmaßlichen Autobombenterroristen Hasan A. klingt schier unglaublich. Zumindest wäre die Idee dreist gewesen, Rache des IS nicht ausgeschlossen. Darüber, ob es wirklich so war, muss nun das Saarbrücker Landgericht entscheiden. Sein Urteil will der Strafsenat an diesem Freitag fällen.

Die Geschichte nahm im Dezember 2016 ihren Lauf. Damals kontaktierte der 39-jährige Hasan A. den Ermittlungen zufolge per Mobiltelefon, Facebook und Messengerdienst Telegram mehrfach einen mutmaßlichen IS-Kontaktmann. Sein Vorschlag: Er plane für die Neujahrsnacht Anschläge in Berlin, Stuttgart, München, Essen und Dortmund sowie in Belgien, den Niederlanden und Frankreich.

Er sei „Ingenieur für Chemikalien“ und gehöre zu einer Gruppe von Jugendlichen, die „auf dem Weg Gottes in den Ländern der Ungläubigen Dschihad“ machen wollten, schrieb A. laut Anklage. Mit als Polizeifahrzeug lackierten und mit jeweils 400 bis 500 Kilogramm Sprengstoff beladenen Autos sollten Selbstmordattentäter in Mengen von Feiernden rasen und möglichst viele „Ungläubige“ töten, behauptete er.

Allein: Ihm fehle es an Geld, um die Autos und den Sprengstoff zu kaufen. Dafür brauche er 180.000 Euro. Allein die Kosten pro Fahrzeug beliefen sich auf 22.500 Euro. Immer drängender wurden seine Forderungen. Am 28. Dezember versprach Hasan A., Ergebnis der Anschläge würden 1.000 tote „Ungläubige“ sein.

Was der Syrer nicht wusste: Der mutmaßliche IS-Mann – ein gewisser A. – war ein Kontaktmann des Bundesnachrichtendienstes. Am Silvestermorgen schlug die Polizei zu, stürmte die Wohnung des seit 2014 in Deutschland lebenden und inzwischen anerkannten Asylbewerbers und nahm den Mann fest.

Obwohl kein Geld geflossen war, bestand für die Ermittler, die noch unter dem Eindruck des Anschlags auf den Berliner Weihnachtsmarkt standen, Gefahr in Verzug. Bis auf einen Notizblock, auf der Hasan A. in Frage kommende Autos notiert hatte, fanden die Fahnder aber weder Sprengstoff noch Waffen noch sonstig belastendes Material.

Seitdem sitzt Hasan A. in Untersuchungshaft, Ende Mai begann sein Prozess. Die Staatsanwaltschaft forderte am Mittwoch in ihrem Plädoyer nun zehn Jahre Haft für den Angeklagten. Dieser habe sich bereit erklärt, „ein Verbrechen des Mordes“ zu begehen.

Der 39-Jährige beteuerte dagegen in seinem Schlusswort, er habe mit dem Koran nichts am Hut und nie einen Anschlag vorgehabt. „Letztlich wollte ich jemand betrügen, mehr wollte ich nicht.“

Sein Verteidiger Marius Müller plädierte auf Freispruch. Selbst der Vorwurf eines versuchten Betruges sei juristisch schwer haltbar. „Können Sie den Islamischen Staat betrügen?“, fragte Müller. Schon das sei ja eine schier unglaubliche Vorstellung. Das Vorgehen seines Mandanten erklärt Müller damit, dass Hasan A. das „Wasser bis zum Hals steht“. Der habe hohe Schulden bei Freunden und Bekannten und brauche zudem Geld für die Behandlung seines schwerkranken Vaters in Syrien. Auch sei die Gefahr, dass der IS Rache für den dreisten Betrugsversuch nehmen könnte, weniger groß. Die Familie von Hasan A. lebt in der Nähe von Damaskus, also außerhalb des IS-Machtbereichs. Es müsse der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ gelten.

Ist der Frisör aus Damaskus nun ein IS-Terrorist oder nur ein naiver Hochstapler? Die fünf Richter nahmen sich für ihr Urteil nun einen Tag Bedenkzeit. Im Fall einer Verurteilung will Verteidiger Müller auf jeden Fall in Revision vor den Bundesgerichtshof ziehen. Dann müsste sich doch eine höhere Instanz mit der Sache befassen.

Das war bisher nicht so. Denn die Bundesanwaltschaft hatte darauf verzichtet, den Fall an sich zu ziehen. Dann wäre die Sache beim Staatsschutzsenat am Oberlandesgericht im rheinland-pfälzischen Koblenz angeklagt worden. Jörg Fischer