Motembo – das kubanische Sibirien

Effizienz Wo einst Studenten auf Zeit lebten und Obst ernteten, machen das heute Gefangene. Die berühmten Schulen sind umgewidmet

Von Maykel González Vivero

Gefängnisse, Irrenanstalt, Arbeitsdienst. Das kubanische Sibirien heißt Motembo. Eine weite Ebene umschließt ein Dorf im Nichts, weit weg von jeder Landstraße, auf halbem Weg zwischen den Städten Cárdenas und Sagua la Grande.

Motembo war einst berühmt für die Schulen am Rande der Obstplantagen. Hunderte Studenten lebten dort oder fuhren dort für eine Zeit zum Arbeiten hin, inmitten des Sibirien aus Guayaba und Mango. Endlose Baumreihen, perfekt wie eine Marschformation, Bataillone der Langeweile.

Im August letzten Jahres wurde Motembo erneut berühmt. Ein australisches Unternehmen versichert, dass sich unter dem Marmeladenparadies ein wahrer Schatz fossiler Brennstoffe befindet. Die Rede ist von Millionen Barrel Erdöl, genug, um vom Energiemangel direkt zum Überfluss zu kommen.

„Die berühmten Schulen gibt es nicht mehr“, die Frau fährt bis San Pablo, einem Gehöft auf dem Weg nach Motembo, „aus fast allen haben sie Gefängnisse gemacht.“ Sie hatte das Glück, einen Lkw zu finden, der sie mitnimmt. Alle anderen müssen fünf Kilometer laufen bis zum Abzweig nach Motembo und dann noch einmal fünf Kilometer bis zum Dorf. Auf einer Plakatwand steht: „Die Partei ist das Bewusstsein unserer Epoche.“

„Wir Leute von hier sind ganz normal“, hebt sie die Stimme und man kann sie trotz des Lärms des Lkws hören, „Ich würde gern in einem richtigen Dorf leben, aber man hat, was man hat.“ „Das ist der Arsch der Welt!“, fährt sie fort, „Corralillo ist die schlimmste Gemeinde des ganzen Landes.“

An der Abzweigung stehen zwei Typen. Der eine ist wortkarg, der andere geschwätzig.„Siehst du diese Mangos?“, fragt er und zeigt nach vorne. „Tausende Tonnen sind verdorben, weil keiner da war, dem man sie hätte verkaufen können! Als sie sich darum gekümmert haben, war es zu spät. Alles verfault.“

Er meint die Empresa Agropecuaria Militar Motembo, das Agrarunternehmen des Militärs, eine extrem effiziente Anomalie. Das Heer erntet Mangos. Weil sie niemanden haben, der sie abnimmt, lassen sie die Häftlinge das Fruchtfleisch zerstampfen. Früher machten die Studenten die Marmelade, heute die Gefangenen. Sie leben in den gleichen Zimmern.

Auf der Hauptstraße von Mo­tem­bo gibt es einen Straßenverkaufsladen, einen Stand mit einem Feldbett. Plastikgürtel, Plastikspielzeug, Werkzeug minderer Qualität werden verkauft. Wenn jemand das Gerücht mit dem Erdöl zur Sprache bringt, interessieren sich alle. Manche wissen davon und raten zur Vorsicht: „Noch ist nichts offiziell gesagt worden.“ Andere haben es von einem gehört, der einen kennt, der es wissen muss, ein Freund von einem anderen hat es im Internet gelesen. Es gibt ein paar wenige, die gar nichts wissen.

Überall stimmen alle zu, wie effizient und rentabel die vom Militär geführten Plantagen sind, trotz der Verluste vor Kurzem. „Die Schulen sind Gefängnisse“, bestätigen sie. „Das Militärunternehmen ist sehr rentabel, mit den Häftlingen als Arbeitskraft.“ „Nur eine einzige Schule funktioniert noch“, erzählt ein Dorfschullehrer.

Aus Motembo fahren wir mit einem anderen Lkw, der sehr hoch ist, und man kann alle Gefängnisse sehen. Fünf oder sechs. Die Gebäude am Straßenrand sagen: „Militärisches Sperrgebiet“.

Maykel González Vivero, 33, ist Korrespondent des „Diario de Cuba“ in Santa Clara