Reform des Asylrechts: Deutschlands Mehr-Klassen-System

Nach der Flüchtlingsbewegung im Sommer 2015 wurde das Asylrecht verändert. Viele Änderungen betreffen aber nur bestimmte Gruppen.

Ein Mann lehnt an einem Geländer un kratzt sich am Kopf

Ein Asylsuchender aus Marokko in einer Chemnitzer Erstaufnahmeeinrichtung Foto: dpa

BERLIN taz | Mit einer ganzen Serie neuer Gesetze ist nach dem „Sommer der Migration“ vor zwei Jahren das Asylrecht verändert worden. Die meisten Reformen wurden in den ersten sechs Monaten nach dem September 2015 beschlossen. Damals war der entsprechende politische Druck von AfD, Pegida und konservativen Medien sehr stark. Vielen der Änderungen ist eines gemeinsam: Sie gelten nicht für alle Flüchtlinge, sondern betreffen nur bestimmte Gruppen. Es ist so ein Mehr-Klassen-Asylrecht entstanden.

Flüchtlinge mit „guter Bleibe­perspektive“ (Kriterium: Her­kunft aus einem Land, deren Antragsteller zu mehr als 50 Prozent anerkannt werden) etwa dürfen früher Sprachkurse („Asylpaket I“) besuchen, sie bekommen Ausbildungsbeihilfen und Unterstützung beim Arbeitsmarkteinstieg.

Besonderen Härten unterworfen hingegen sind Flüchtlinge, die aus sogenannten „sicheren Herkunftsländern“ stammen oder keine Identitätsnachweise haben. Für sie gibt es die Möglichkeit des beschleunigten Asylverfahrens mit eingeschränkten Widerspruchsmöglichkeiten („Asylpaket II“). Sie müssen länger als andere in zentralen Aufnahmeeinrichtungen bleiben, bekommen dort nur eingeschränkte Sozialleistungen und dürfen nicht arbeiten. Die Liste der „sicheren Herkunftsstaaten“ wurde dazu erweitert – und soll weiter wachsen, was bislang allerdings am Veto der Grünen scheiterte.

Allgemein wurde die Möglichkeit der Abschiebung physisch und psychisch kranker Menschen („Asylpaket II“) und die längerer Abschiebehaft erweitert. Flüchtlingen kann seit Juli 2016 nach der Anerkennung eine Wohnsitzauflage ausgesprochen werden – dann können sie ihren Wohnort nicht frei wählen. In einigen Landkreisen mit niedriger Arbeitslosigkeit wurde umgekehrt die „Vorrangprüfung“ abgeschafft – Asylsuchende können hier schneller eine Arbeit annehmen.

Auch die Einschränkung des Familiennachzugs stellt eine besondere Härte dar. Seit dem „Asylpaket II“ dürfen Flüchtlinge mit „subsidiärem Schutzstatus“ ihre engsten Angehörigen erst nach einer Wartezeit von zwei Jahren nachholen. Seit diese Bestimmung in Kraft getreten ist, wurde vor allem SyrerInnen wesentlich häufiger nur „subsidiärer Schutz“ statt der regulären Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge behauptete, dies sei auf „geänderten Vortrag“ der Antragsteller zurückzuführen – SyrerInnen hätten plötzlich andere Dinge in ihrer Anhörung erzählt als ihre Landsleute in Verfahren davor. Das aber ist wenig glaubhaft.

Eine zentrale Forderung der CSU in Sachen Asylrechtsreform fällt aller Voraussicht nach aus: Die zwischenzeitlich von Parteichef Horst Seehofer als Bedingung für eine Koalition verlangte „Obergrenze“ von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr hat die CDU abgelehnt. Nur: Durch Maßnahmen auf europäischer Ebene und in Transitstaaten wie der Türkei, Libyen, Niger und Ägypten ist die Zahl der Ankünfte ohnehin auf einen niedrigeren Wert gefallen.

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