Kommentar „Ende Gelände“-Klimaprotest: Zahm und aufmüpfig zugleich

Der Protest im Rheinland ist schon jetzt ein Riesenerfolg. Die Braunkohlegegner finden den richtigen Ton zwischen militanter Aktion und friedlichem Protest.

Zwei Braunkohlegegner stehen erhöht und blicken auf das das Braunkohlekraftwerk herab

Ikonisch: Die Mondlandschaft des Garzweiler-Tagebaus garantiert spektakuläre Protestfotos Foto: dpa

Ende Gelände hat es geschafft: Die Aktion hat ihren Platz in den Medien sicher. Schon vorab brachte die Tagesschau einen minutenlang Bericht über die Klima-AktivistInnen und hoch organisierten LogistikerInnen, die die derzeit wichtigste und dynamischste Aktion der europäischen Umweltbewegung auf die Beine stellen: Die Besetzung eines Braunkohletagebaus, dieses Mal im rheinischen Revier. Auch nahezu alle anderen überregionalen Medien sind vor Ort.

Dass es so gut läuft für das Bündnis, liegt daran, dass es genau den richtigen Ton trifft und den Spagat zwischen militanter Aktion und dem Bekenntnis zum friedlichen Protest schafft. Damit bringt es einerseits AktivistInnen aus ganz Europa dazu, unbedingt dabei sein zu wollen. Andererseits ist die Aktion aber auch – zumindest aus sicherer Entfernung medial aufbereitet – einem Publikum vermittelbar, das mit Kohleprotesten sonst wenig am Hut hat.

Die spektakulären Bilder sind mittlerweile ikonisch: Tausende weiß gekleidete AktivistInnen steigen in riesige schwarze Krater hinab, in eine Mondlandschaft, in der bis zu 100 Meter hohe Maschinen stehen. Hunderte schaffen es auf Bagger und Förderbänder, hissen Transparente und machen klar, was sie wollen: Kohleausstieg jetzt. Solche Massenaktionen des zivilen Ungehorsams sind, anders als etwa die Demos bei G20 in Hamburg, offenbar eine Protestform, die für die einen aufregend genug und berechenbar genug für die anderen ist.

Anders als etwa bei G20, wo schon Wochen vorher Angst vor dem schwarzen Block geschürt wurde, hat Ende Gelände gar keinen schwarzen Block – nur weiße Anzüge. Hier werden keine Steine geschmissen, hier brennen keine Barrikaden. Hier klettern Leute auf Bagger und schneiden, konspirativ und akribisch vorbereitet, Kraftwerke von der Zufuhr ab.

Fester Teil deutscher Protestgeschichte

Wo man bei G20 außerdem gegen Erdogan oder Putin auf die Straße ging, wird hier mit dem Kohleausstieg auf ein viel konkreteres Ziel hingearbeitet. Damit zeigen sich auch die großen Organisationen wie Greenpeace oder der BUND solidarisch, Campact hat über seinen Verteiler Unterstützung für die Menschenkette „Rote Linie gegen Kohle“ mobilisiert, die 35 Kilometer weiter am Hambacher Wald stattfindet. Und sogar die Grünen-ChefInnen Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt haben angekündigt, bei dieser Demo dabei sein zu wollen.

Im dritten Jahr seiner Existenz hat sich Ende Gelände fest in die bundesdeutsche Protestgeschichte eingeschrieben. Damit hat das Bündnis ein Ziel schon erreicht, bevor die diesjährige Aktion überhaupt gestartet ist: Es dringt weit vor in genau die gesellschaftlichen Bereiche, die mit der radikalen Forderung nach einem sofortigen Kohleausstieg bisher nicht erreicht wurden. Ob die Besetzung dieses Mal tatsächlich wieder gelingt, ist insofern zweitrangig. Entscheidend ist nicht, dass dem Kraftwerk die Kohlezufuhr für dieses Wochenende abgegraben wird – sondern die Akzeptanz für die nächsten Jahre.

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