Let's talk about art, baby

TALK Berliner Galeristen initiieren einen 46-stündigen Gesprächsmarathon, um vor der Berlin Art Week über die Kunstszene und deren Formate zu sprechen. Konzerte, DJ-Sets und „antidepressive Massagen“ gibt es auch

Ein guter Platz für Musik, ein guter Ort um zu reden: die Kantine im Berghain Foto: Kantine im Berghain

von Beate Scheder

Als im vergangenen Jahr die Art Week Mitte September zu Ende ging, hinterließ sie bei vielen Beteiligten Katerstimmung und das nicht nur wegen dem einen oder anderen Glas Crémant zu viel. Die art berlin contemporary, die einst von einer Gruppe Galeristen als Gegenveranstaltung zum Art Forum initiierte Messe, die nie eine sein wollte, war im neunten Jahr in sich zusammengeschrumpft. Nur noch 62 Galerien bespielten einen Teil der Station – und die schönen Worte über das salonartige neue Konzept täuschten kaum über die Schwierigkeiten der Veranstaltung hinweg, sich endlich doch noch zu etablieren. Stattdessen schürten sie Zweifel über die Zukunft nicht nur der abc, sondern auch über die der Berlin Art Week an sich.

Weil aber zur Berliner Kunstszene ein Hang zu Veränderung zu gehören scheint und in gewisser Weise auch das Talent, aus Krisen etwas entstehen zu lassen, ist es der Stimmung eben jener Zeit zu verdanken, dass am heutigen Freitag in der Kantine im Berghain eine von Berliner Galeristen initiierte Veranstaltung beginnt, die den vielen Debatten, die um Kunst und Kultur in dieser Stadt schwelen, neue Impulse geben könnte. „Good to talk“ heißt sie und auch wenn der Titel nach einer Binsenweisheit klingen mag, passt er doch hervorragend. Denn darum geht’s: ums Reden, um persönlichen Austausch.

Wie die Idee entstand? „Ich glaube, das lag bei einigen Kollegen in der Luft“, sagt Galeristin Tanja Wagner, die zum Gründungsteam von Good to talk gehört, genau wie ihre Kollegen Daniel Marzona, Thomas Fischer, Anne Schwanz und Johanna Neuschäffer vom Eigen & Art Lab und Silvia Bonsiepe und Sebastian Klemm von der Galerie Klemm’s. „Wir haben damals alle gemerkt, dass Raum war, noch ein Format als Galeristen zu erarbeiten“, ergänzt Marzona und spielt mit diesem „noch ein Format“ auf das Gallery Weekend an, das 2004 von damals zwölf Galerien gegründet wurde und seitdem überaus erfolgreich läuft. Manche hätten überlegt, den Wegfall der abc zu kompensieren und eine neue, eigene kommerzielle Veranstaltung zu entwickeln, sagt er. „Ich hatte aber das Gefühl, dass das keine gute Idee wäre, sondern wir vielmehr etwas machen sollten, das inhaltlich orientiert und offen für alle ist.“

Beim Gallery Weekend sowie früher bei der abc kann beziehungsweise konnte nur teilnehmen, wer dazu eingeladen wurde und sich das auch leisten kann. Exklusivität ist Teil des Konzepts, genauso wie die letztlich kommerzielle Ausrichtung. Beides soll bei Good to talk anders werden. Mitmachen kann jeder. Zu kaufen gibt es nichts, abgesehen von Tickets für fünf Euro, mit denen man innerhalb der 46 Stunden kommen und gehen kann, wie man mag.

Wichtig: Kaffeerituale!

Das Programm verspricht durchaus kurzweilig zu werden. Neben klassischen Künstlergesprächen, Debatten über den Standort Berlin oder das umstrittene Kulturschutzgesetz und Einführungen in die Geheimnisse des Sammelns gibt es auch Konzerte, DJ-Sets, Performances und sogar „antidepressive Massagen für Künstler“ oder Kaffeerituale.

Ganz neu ist das Talkformat natürlich nicht. Auch auf Messen wie der Art Basel gibt es begleitende Talks, aus Barcelona stammt „Talking Galleries“, eine Plattform für diverse Kunstmarktakteure, die jedes Jahr ein Symposium in Barcelona und internationale Satellitenveranstaltungen organisiert. Good to talk versteht sich auch im Vergleich mit solchen Formaten als freier. So wollen sie einerseits ein möglichst breites Publikum ansprechen – deshalb auch die Kantine und kein spezifischer Kunstort und die vielen spielerischen Programmpunkte. Zudem sei nicht beabsichtigt, sich, wie unterstellt wurde, von einer älteren Generation an Galeristen abzugrenzen: „Good to talk ist kein per se und notwendigerweise nur von den jungen Galerien getragenes Projekt“, sagt Marzona. Dennoch stehen auf der Liste der 20 an der ersten Ausgabe beteiligten Galerien vor allem jüngere. Manchmal bilden sich Gruppen ja ganz von selbst. Genauso mag es Zufall sein oder nicht, dass mit KM, Sexauer und Katharina Maria Raab auch alle der drei der für das beste Ausstellungskonzept einer jungen Galerie zur Berlin Art Week 2017 nominierten Galerien mit dabei sind (vergeben vom Landesverband Berliner Galerien gemeinsam mit dem Verein Berliner Kaufleute und Industrieller).

Auch von der Art Week, die entgegen aller Befürchtungen in diesem Jahr sogar mit einer neuen Messe an den Start geht, wolle man sich nicht abgrenzen – trotz des Datums. „Das war von uns nicht als Zäsur gedacht, um uns von der Art Week abzusetzen“, sagt Wagner. „Im Gegenteil: Wir sind sehr offen, das nächstes Mal die Termine zusammenzulegen.“ Auch darüber müssten sie reden, hinterher.

„Good to talk“, 8.–10. September, Einlass heute ab 22 Uhr, Berghain Kantine