Vom Schlusslicht zum Tabellenführer: Der spanische Weg

Die TSV Hannover-Burgdorf hat sich zum Spitzenteam der Handball-Bundesliga gemausert. Zu verdanken sein dürfte das dem neuen spanischen Trainerduo.

Gerangel: Hannovers Ilija Brozovic (M) versucht zwischen Magdeburgs Christian O'Sullivan (l) und Robert Weber hindurch zu kommen Foto: Peter Steffen/dpa

HANNOVER taz | Gutes Team, schöne Stadt, eine Liga der besonderen Güteklasse: Als das übliche Blabla abgespult war, konnte noch niemand ahnen, wie anders und wie gut alles werden sollte. Als der Spanier Carlos Ortega im Juni angetreten war, um aus dem kriselnden Handball-Erstligisten TSV Hannover-Burgdorf wieder etwas Besseres zu machen, sagte der neue Trainer das, was ein neuer Trainer sagen muss: „Diese Mannschaft hat das Potenzial für Europa.“

Drei Monate später trumpft seine Mannschaft tatsächlich wie ein echtes Spitzenteam mit Ambitionen auf einen internationalen Wettbewerb auf. Von einem neuen Weg ist in Hannover die Rede. Von einem spanischen.

Der große Hoffnungsträger, an dem sich alles neu ausrichtet, ist tatsächlich ein Experte. Ortega hat als Spieler mit dem FC Barcelona und der spanischen Nationalmannschaft Titel in Serie gesammelt. Er war sogar Weltmeister. Als Trainer wirken seine ersten Stationen für Laien wie ein Umweg. Aber über die Vereine KIF Kolding Kobenhagen (Dänemark) und KC Veszprem (Ungarn) hat es Ortega in die Bundesliga geschafft.

Sich einem Klub anzuschließen, der 2017 noch der schlechteste der Liga war, sah wie ein Wagnis aus. Tatsächlich ist es für beiden Seiten eine große Chance. Denn aus dem früheren Dorfverein TSV Hannover-Burgdorf soll mit Ortega, der als Trainer sogar Erfahrung in der Champions League hat, eine große Nummer werden.

Dass eine Mannschaft, deren Stamm nicht verändert worden ist, so schnell wieder aufblüht, darf getrost als ein kleines Handball-Märchen verkauft werden

Der Klub bestreitet seine wichtigen Heimspiele künftig in der riesigen TUI-Arena am früheren Expo-Gelände. Wer hier die Zuschauer in Scharen anlocken will, muss Besonderes bieten. Und dass in dieser Spielzeit schon Siege gegen die Spitzenteams aus Kiel und Flensburg gelungen sind, ist etwas Besonderes.

Die TSV Hannover-Burgdorf gehört nicht zu den vermögenden Vereinen der 1. Liga. Deshalb ist sie vor allem auf das gute Händchen von Benjamin Chatton angewiesen. Der Geschäftsführer entwickelt den Verein konsequent weiter. Er hat schon Ausnahmekönner wie Nationalspieler Kai Häfner nach Hannover geholt. Aber mit der Verpflichtung des neuen Trainers, der den erfolglosen Jens Bürkle ersetzt hat, scheint ein großer Schritt zu gelingen.

„Wir führen zwei Perlen zusammen“, sagt Chatton zu dem Umstand, dass an der Seite von Ortega mit Iker Romero ein weiterer Spanier als Assistenztrainer gewonnen werden konnte. Das Duo strahlt viel Zuversicht aus und gibt der lange Zeit so formschwachen Mannschaft Mut – so wie im gestrigen Heimsieg gegen den SC Magdeburg, das 32:30. Damit führt Hannover-Burgdorf nach fünf Siegen die Tabelle sauber mit 10:0 Punkten an.

Aber was genau bedeutet es eigentlich, wenn zwei Iberer mitten in Niedersachsen versuchen, eine mit Profis aus ganz Europa bestückte Mannschaft auf den spanischen Weg zu führen? Ortega gilt als Meister der taktischen Varianten. Unter seiner Regie hat Hannover-Burgdorf gelernt, offensiv zu verteidigen. Die Außenspieler werden besser eingesetzt.

Und vor allem hat der Spanier, der schnell Deutsch lernen will, aber mit seinem Team Englisch spricht, jeden Einzelnen aus der Reserve gelockt. Ortega führt viele Einzelgespräche und hat von der Teamhierarchie bis zur taktischen Ausrichtung alles auf null gestellt. Der Neustart bekommt erfahrenen Profis wie dem Dänen Morten Olsen bestens. Dass eine Mannschaft, deren Stamm nicht verändert worden ist, so schnell wieder aufblüht, darf getrost als ein kleines Handball-Märchen verkauft werden.

Im Kampf um mehr Aufmerksamkeit und Zuschauer kommt das ungeahnte Hoch genau richtig. Manche Partie wie die gegen Magdeburg wird noch in der bisherigen Heimspielstätte gleich neben dem Fußballstadion am Maschsee ausgetragen. Aber seine Zukunft will der Verein in der mehr als 10.000 Zuschauer fassenden TUI-Arena suchen. Um die imposante Multifunktionshalle dauerhaft mit Leben zu füllen, bedarf es noch viel mehr als einen guten Saisonstart.

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