Obamacare bleibt Gesetz

USA Trotz absoluter Mehrheiten im Kongress bekommen die Republikaner erneut keine Mehrheit für die Abschaffung von Obamas Gesundheitsreform zusammen

Proteste in den Fluren des Senatsgebäudes. Washington am Montag Foto: Pablo Martinez/ap

Aus New York Dorothea Hahn

Am letzten Tag des vorerst letzten republikanischen Anlaufs, die unter Barack Obama verabschiedete Gesundheitsreform zu Fall zu bringen, legten Hunderte von RollstuhlfahrerInnen den Finanzausschuss des Senats lahm. 181 von ihnen wurden festgenommen. Während Mitglieder der Capitol Police die Demonstranten wegrollten, hallten Rufe wie: „Keine Einschnitte in die Medicaid“ durch die Gänge des Senats. Am selben Tag beendete die republikanische Senatorin aus Maine, Susan Collins, diese Debatte. Sie könne nicht für ein Gesetz stimmen, das Millionen Menschen ihrer Krankenversicherung beraube. Sie war die dritte SenatorIn ihrer Partei, die sich so positionierte.

Wie kein anderes Gesetz der Obama-Ära war die Gesundheitsreform zum Zentrum der republikanischen Wut geworden. Sieben Jahre betrieben die Republikaner Fundamentalopposition dagegen. Organisierten Dutzende von Abstimmungen gegen Obamacare und mobilisierten die Straße gegen die „sozialistische Reform“. In seinem Wahlkampf nutzte auch Donald Trump diese Stimmung aus. Er nannte Obamacare eine „Katastrophe“ und versprach die sofortige Abschaffung bei seinem Amtsantritt. Mit absoluten Mehrheiten in beiden Kammern des Kongress schien das machbar.

Doch fast neun Monate nach Trumps Amtsantritt bleibt Oba­macare das Gesetz des Landes. Dafür haben vor allem die Proteste aus der Zivilgesellschaft, aus Gewerkschaften und der linken Opposition gesorgt. In den zurückliegenden Monaten sind sie gemeinsam gegen alle Abgeordneten vorgegangen, die Obamacare stürzen wollten. Mit Telefonanrufen, Petitionen und Demonstrationen machten sie Druck. Manche republikanische Abgeordnete haben nun bis spät abends und an Wochenenden Demonstrationen vor ihren Wohnhäusern. Auch prominente TV- und Hollywoodstars unterstützen die Proteste.

Schon seit Monaten trauen sich republikanische Abgeordnete kaum noch in ihren Wahlkreisen aufzutreten. Statt persönlicher Sprechstunden und Diskussionen organisieren sie jetzt allenfalls noch Onlinediskussionen. Und all jene, die im nächsten Jahr bei den Halbzeitwahlen erneut antreten, versuchen das heikle Thema aus ihrem Wahlkampf herauszuhalten. Die Angst vor der eigenen Basis sorgte auch in den Reihen der demokratischen Kongressabgeordneten dafür, dass niemand aus der Parteidisziplin ausscherte.

Die Niederlage für Trump – ein Erfolg der Protestbewegungen

Für Trump ist das Scheitern des Graham-Cassidy-Gesetzes, das zwei republikanische Senatoren vorgelegt haben, eine neue schwere politische Niederlage. Am Montag konzentrierte er sich bereits auf andere Themen.

Doch es ist unwahrscheinlich, dass er und der republikanische Chef des Senats, Mitch McConnell, aufgeben werden. Schon ab Oktober könnten sie es mit einer neuen Gesetzesinitiative versuchen. Außerdem hat die Regierung die Möglichkeit, Oba­macare finanziell auszutrocknen und administrativ zu behindern.

Die Gruppen, die in den letzten Monaten den Widerstand gegen „Trumpcare“ organisiert und jetzt einen neuen Sieg davongetragen haben, wissen, dass der Kampf weitergeht. Aber sie wissen jetzt, dass sie im öffentlichen Bewusstsein die Diskussion über Obamacare möglicherweise stärker vorangebracht haben als das jahrelange legislative Tauziehen hinter verschlossenen Türen. Zugleich sind sie um die Erfahrung reicher, dass sie mit Widerstand auf der Straße die Regierung zurückhalten können, obwohl deren Partei über absolute Mehrheiten verfügt.