Wien will gegen Glyphosat stimmen

AGRAR Nach Frankreich äußert auch Österreichs Regierung starke Bedenken gegen das Herbizid

WIEN taz | Wenn auf europäischer Ebene kein Glyphosatverbot erreicht werden kann, dann soll Österreich das Unkrautvertilgungsmittel eben im Alleingang verbieten. So sagte es Ulrike Lunacek von den Grünen am Dienstagabend bei einer TV-Wahldiskussion, um Kanzler Christian Kern (SPÖ) zur Übernahme der Grünen-Forderung zu gratulieren.

Kern hatte zuvor im Rahmen einer SPÖ-„Umweltoffensive“ dafür plädiert, den ÖVP-Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) damit zu beauftragen, bei der Anfang November anstehenden EU-Abstimmung gegen eine Verlängerung der Zulassung für das umstrittene Herbizid des Saatgutriesen Monsanto zu stimmen. Bereits am Montag hatte sich die französische Regierung gegen Glyphosat ausgesprochen.

Der Vorstoß Kerns war wenig überraschend. Bereits vor Wochen hatten Umweltorganisationen die Parteien zu ihrer Position zu Glyphosat befragt. Einzig die konservative ÖVP und die liberalen Neos hatten sich für eine Verlängerung ausgesprochen. Umso mehr erstaunte die Erklärung Rupprechters, er hätte ohnedies dagegen gestimmt. Man darf einen Zusammenhang mit den Parlamentswahlen am 15. Oktober vermuten. Denn in der Bevölkerung ist die Skepsis gegenüber dem laut WHO „möglicherweise krebserregenden“ Spritzmittel groß. 472 Gemeinden haben bereits im eigenen Wirkungsbereich auf Glyphosateinsatz verzichtet.

Bisher hatte sich Österreich bei den Abstimmungen in Brüssel der Stimme enthalten. Allerdings mit der Begründung, dass dem Entwurf ein Verbot der sogenannten Sikkation fehlte. Bei diesem Verfahren wird das Getreide erst wenige Tage vor der Ernte gespritzt. Das soll zwar den Ertrag steigern, kann aber zu hoher Giftkonzentration im Mehl führen. Das in den meisten EU-Ländern noch übliche Verfahren ist in Österreich seit 2013 verboten.

Nicht einverstanden mit einem Bann des weltweit meistverbreiteten Herbizids ist die Landwirtschaftskammer. Präsident Hermann Schultes sagte, es gebe für die Bauern keine preislich und qualitativ vergleichbare Alternative. Und: Sämtliche Studien würden dem Mittel Bedenkenlosigkeit bescheinigen, wenn es wie in Österreich nur vor der Aussaat eingesetzt werde.

Am 3. Oktober wird im EU-Unterausschuss des Nationalrats Österreichs Abstimmungsverhalten in Brüssel festgelegt. Bundeskanzler Kern rechnet angesichts der öffentlich geäußerten Positionen der Parteien mit einer klaren Mehrheit.

Ralf Leonhard