Fehlende Inhalte: Bloß nicht drüber reden!

Das soll der Wahlkampf sein? Was für ein Missverständnis! Hier sind die Themen, über die noch viel zu wenig gesprochen wurde.

Kinderfüße mit unterschiedlichen Socken

Jetzt steh'n wir da: Wahlkampf fast vorbei und vieles unangesprochen. Nicht nur Kinderarmut Foto: dpa

Klima

Dass es in Deutschland derzeit relativ kühl zugeht, ist kein Argument für nix. Wie gefährlich der Klimawandel ist, zeigen beispielsweise die verheerenden Wirbelstürme in Nordamerika und Asien. Und was macht Deutschland, das auf dem Weg zu den international vereinbarten Zielen zurückbleibt, den Ausstoß des klimaschädlichen Gases Kohlendioxid zu senken?

Es hat Angst vor der Verkehrswende, es fliegt immer öfter in den Urlaub, es futtert Fleisch in Massen, es schludert bei der Wärmedämmung, es fährt immer dickere und schnellere Autos, es lässt sich immer mehr Pakete liefern, es bezieht immer größere Wohnungen, es nutzt immer länger Computer und Smart­phones, und es verbrennt seine dreckige Braunkohle. So wird das nix mit dem Klimaschutz.

Schule

Weltbeste Bildung für jeden versprechen, wie es die FDP tut, ist billig. Irgendwas mit Digitalisierung zu fordern, auch. Bildung für alle – die Forderung haben fast alle im Angebot. Es liegt viel im Argen, vor allem in den Städten, in denen die sanitären Anlagen der Schulen zum Himmel stinken. Die Bildungsrepublik Deutschland, die Angela Merkel einst ausgerufen hat, ist leeres Versprechen geblieben.

Dieser Text stammt aus der taz.am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.

Dabei würden wir gern wissen, was Bildung im digitalen Zeitalter bedeutet, wie es die Schulen schaffen, aus Kindern mehr zu machen als hochspezialisierte Fachkräfte für den Arbeitsmarkt der Zukunft. Und wie steht’s mit der Chancengleichheit?

Arbeit

Ein politischer Entwurf, der nur der Devise folgt, Hauptsache, die Leute haben so große Angst vor Hartz IV, dass sie auch noch die miesesten Jobs annehmen (müssen), ist abzulehnen. Was wirklich zählt, ist keine Politik, die den Ansprüchen der IG Metall genügt. Sondern die sich um das Elend der Dienstleistungsberufe kümmert – um miese, der staatlichen Aufstockung bedürftige Löhne, garantierte Altersarmut, Prekarisierung im Hier und Jetzt durch Heuern & Feuern. Der neue Klassenkampf – los geht’s.

Wohnen

Vierzig Prozent der deutschen Haushalte zahlen mehr als ein Drittel ihres Nettoeinkommens für ihre Miete. Die Innenstädte von München, Hamburg, Köln, Frankfurt und Teile von Berlin sind für viele Normalverdiener unerschwinglich geworden, immer mehr Menschen müssen pendeln. Dennoch gehört Wohnen zu den Nichtthemen des Wahlkampfs. Sozialdemokraten, Grüne und Linke versprechen zwar Besserung, stellen das Thema aber nicht in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs. Union und Liberale stehen ohnehin auf der Vermieterseite.

Kinderarmut

Wieder ist das Armutsrisiko für Kinder gestiegen. Eben hat der „Familienreport“ der Bundesregierung festgestellt, dass ihre Armutsrisikoquote im Jahr 2015 bei 19,7 Prozent lag. Fast jedes fünfte Kind in Deutschland ist also von Armut bedroht. Betroffen sind Kinder alleinerziehender Mütter und von Migranten, die in jüngerer Zeit gekommen sind, von Familien, in denen nur ein Elternteil arbeitet oder die mehr als drei Kinder haben.

Helfen soll „eine gute, verlässliche und kostenfreie Kinderbetreuung“, sagt Familienministerin Katarina Barley (SPD). Gute Sache, aber reicht das? Wie wär’s damit: die Armut von Müttern und Vätern bekämpfen, prekäre Beschäftigung zurückdrängen, Lohndiskriminierung von Frauen beseitigen?

Europa

Europa stand in der letzten Legislaturperiode vor dem Auseinanderbrechen. Mitverantwortlich: der deutsche Exportüberschuss und die harte deutsche Politik gegenüber den Krisenstaaten in Südeuropa. Der neue französische Präsident verlangt nun mehr Zugeständnisse von Deutschland, die ihm wohl eher gewährt werden dürften als der griechischen Syriza-Regierung.

Dazu gehört ein Eurozonen-Budget. Entschieden wird darüber erst nach der Wahl – ebenso wie über Schuldenerleichterungen für Griechenland. Weil damit für keine Partei wirklich Stimmen zu holen sind, bleibt das Thema außen vor.

Bürgerversicherung

Leicht wäre, die finanziell immer bedrohten Sozialsysteme – die Gesundheit, die Pflege, die Renten überhaupt – auf mindestens 100 Jahre zu stabilisieren, vor allem zugunsten der prekär Beschäftigten: indem eine Versicherung eingerichtet wird, in die aus allen Einkommensarten eingezahlt, in die aus der Lohn- und Einkommenssteuer, aber auch aus Kapitalerträgen eingespeist wird.

Die Trennung zwischen gesetzlicher und Privatkrankenkasse ist von gestern. In dieser Vergangenheit waren Medizin und Sicherheit im Alter pure Klassenfragen. Aber kaum eine der linken oder ökologisch orientierten Parteien wagt es, sich für die Bürgerversicherung einzusetzen. Verantwortungslos!

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