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: Vom Bauhaus zur Sozialhilfe

„Viele kamen vorbei“ (BRD 1956, Regie: Peter Pewas)↓

Als vor ein paar Jahren eine Edition der Filme von Peter Pewas erschienen ist (siehe taz vom 7. Juli 2011),hat eines seiner Werke aus lizenzrechtlichen Gründen gefehlt: Der Spielfilm „Viele kamen vorbei“ aus dem Jahr 1956. Nun liegt auch dieser, nachdem er lange so gut wie gar nicht mehr greifbar war, endlich auf DVD vor.

Es ist, wie auch „Straßenbekanntschaft“, der andere Nachkriegsfilm, den Pewas gedreht hat. Wenngleich ein für den Regisseur aus der Not geborenes Werk. Genau wie „Straßenbekanntschaft“, ein Defa-Film von 1946, der zur sexuellen Aukflärung und Warnung vor der Prostitution gedacht war, aus dem aber Pewas über weite Strecken sein eigenes Ding machen konnte.

Eigenes Ding machen hieß bei Pewas: Man erkannte in vielen Einstellungen den Grafikdesigner, der am Bauhaus bei Klee, Kandinsky und Moholy-Nagy studiert und erste Erfolge als Schöpfer montageartiger Filmplakate gehabt hatte. In den späten Dreißigern studierte Pewas auch an der neu gegründeten Deutschen Filmakademie und realisierte dann 1942 sein Spielfilmdebüt „Der verzauberte Tag“, eine poetisch-realistische Liebesgeschichte, die NS-Propagandaminister Joseph Goebbels so wenig in den Kram passte, dass er ihre Aufführung unterband.

Der erste Fehlstart

Das war der erste von drei Fehlstarts eines Künstlers, der zu den begabtesten deutschen Filmregisseuren seiner Generation gehörte, was man in jedem seiner Werke sehen kann, obwohl Peter Pewas nie die Chance zu einem Werk ganz nach seinen eigenen Vorstellungen bekam.

„Viele kamen vorbei“ war keine strikte Auftragsarbeit, aber doch unter einem Unstern geboren, der den Namen des Produzenten und Drehbuchautors Gerhard T. Buchholz trug. Nicht nur war dessen Drehbuch von einem Meisterwerk weit entfernt, es ging auch noch Buchholz’ Firma Occident Film wenige Tage nach Drehbeginn pleite. Man drehte weiter, kratzte Geld an diversen Ecken und Enden zusammen, der Film wurde doch noch fertig, die Hoffnungen auf einen Kinoerfolg erfüllten sich jedoch leider nicht. Immerhin gab es Kritikerpreise für Musik und Kameraarbeit, – beides verdient, der Kameramann Klaus von Rautenfeld war der ästhetische Verbündete -, den Pewas im Drehbuchautor nicht hatte. Wenn man sieht, was von Rautenfeld konnte, wird einem beim Blick auf seine sehr deutsche Karriere ganz anders, die als Ko-Kameramann bei Luis-Trenker-Filmen begann und dann nach dem Zweiten Weltkrieg von „Hofjagd in Ischl“ bis „Pudelnackt in Oberbayern“ fast ausschließlich Belangloses umfasste.

Klassischer Krimi

Interessant ist, wie Regisseur Peter Pewas alle Spannungs­bögen immer wieder unterbricht

Es steckt in „Viele kamen vorbei“ ein klassischer Krimi: Der Protagonist ist ein Mann namens Reschke (Harald Maresch), ein Serienvergewaltiger und -mörder, der an deutschen Autobahnen sein Unwesen treibt. Ein designiertes Opfer steht im Zen­trum des Films, die junge Sabine (Frances Martin), die von zu Hause ausreißt, um per Anhalter zu ihrem geliebten Jochen (Christian Doermer) zu kommen. Interessant ist, wie Regisseur Pet­er Pewas alle Spannungsbögen immer wieder unterbricht. Der Mörder wird gleich zu Beginn vorgestellt, das setzte er gegen das Drehbuch von Buchholz durch. Nicht durchsetzen konnte er den Verzicht auf einen Off-Kommentar, der das Publikum von Anfang bis Ende allzu sehr an der Hand nimmt.

Das ging Pewas sehr contre cœur, denn sein Metier sind Bildkompositionen, ist die Beschwörung von Stimmungen und Atmosphären. Darin ist er als Regisseur groß, und momentweise ist er es auch in „Viele kamen vorbei“: bei Autobahnfahrten, vor abendlich licht- und wolkengetränkten Himmel gemalt; bei einem nur im Schattenriss an einer Autobahnbrücke sichtbaren Mord; und bei einer Hetzjagd durch Nacht und Nebel durch einen Wald. Die Kritik erkannte Ahnungen internationalen Formats. Geholfen hat es herzlich wenig. Pewas bekam keine Aufträge mehr, lebte lange von Sozialhilfe, wurde erst kurz vor seinem Tod – er starb 1984 – mit einer Hommage bei der Berlinale wiederentdeckt.

Ekkehard Knörer

Die DVD ist ab rund 15 Euro im Handel erhältlich