Basisdemokratie in zweieinhalb Stunden

Die Bremer Commune arbeitet an einer geldfreien Ökonomie und dankt kollektiven Arbeitseinsatz mit politisch korrekter Grundversorgung. Zusammen wohnen muss man dafür nicht, auf Luxus verzichten hingegen schon

Beim Frühstück fängt es schon an. Da gibt es eine „Grundversorgung“, also beispielsweise den Bärlauchaufstrich. Daneben existieren „Konsumgüter“ wie die Sauerkirsch-Marmelade. Der Lebensmittel-Keller der Bremer Commune trennt da strikt. Links befindet sich alles, was man laut Beschluss der Gemeinschaft zum puren Überleben braucht. Was rechts steht, wird dem „individuellen Verbrauch“ zugerechnet. Und alles, was die Grundversorgung um das zweifache übersteigt, ist Luxus. Dekadent also.

Zehn Leute wirtschaften derzeit in der Bremer Commune, leben jedoch in unterschiedlichen Wohngemeinschaften. Keine Kommune also wie bei den ‘68ern. Das Vorbild ist die Pariser Commune von 1871, eine Selbstverwaltung mit Räte-Demokratie. „Hier macht aber nicht jeder alles“, sagt Communarde Till Mossakowski – soviel habe man aus der Basisdemokratie gelernt. Die Debatten auf der zweiwöchentlichen Vollversammlung sind deshalb auf maximal zweieinhalb Stunden begrenzt. Und die arbeitsteilige Gesellschaft ist auch eingezogen. Die Commune unterscheidet dabei mehrere „Aktivierungsbereiche“: Die Küche, das Commune-Zentrum in der Bauernstraße und der interne Lebensmittel-Laden zählen hierzu, aber auch die Felder „Spiritualität“, „Kultur“ oder „Gesundheit“ wollen besetzt sein.

Für die Organisation sind so genannte „Stammkräfte“ zuständig, die jederzeit abwählbar sind. Und wer wiedergewählt werden will, muss mindestens zwei Drittel der Communarden auf sich vereinigen. Später wird es immer schwieriger, den Posten zu behalten: Das Quorum steigt von Wahl zu Wahl. „Ein Modell für die EU“, findet Mossakowski, der sich auch bei attac engagiert.

Um die Grundversorgung aufrecht zu erhalten, muss jeder Communarde zwei Stunden pro Woche für die Gemeinschaft arbeiten – ohne Entlohnung, versteht sich. „Schließlich arbeiten wir an einer Ökonomie ohne Geld“, sagt Mossakowski, der als Informatiker an der Uni sein Geld verdient. Deshalb gibt es auch einen Umsonstladen, in dem alles getauscht wird, was der Einzelne nicht mehr braucht, aber noch nutzbar ist.

Was die Communarden im Kapitalismus verdienen, wandert zum Teil in die Gemeinschaftskasse. Schließlich muss auch der Bärlauchaufstrich bezahlt werden. Allerdings ist der deutlich teurer als anderswo. „Wir profitieren von den globalen Ausbeutungsverhältnissen“, sagt Carolin Oslath, „ob wir wollen oder nicht.“ Deshalb werden auf alle Produkte pauschal 15 Prozent aufgeschlagen. Das Geld fließt in einen Soli-Fonds, mit dem Projekt in der Dritten Welt finanziert werden. Derzeit ist das ein Dorf in Kamerun, das eine Bibliothek und einen Brunnen bekommen soll.

„Für die Welt arbeiten“ steht denn auch auf einem der Zettel zu lesen, auf denen allerlei Zitate linker Vordenker notiert wurden – in diesem Falle: Karl Marx. Dennoch ist sein Werk in der Commune „keine Bibel“, versichert Michael Stein. „Wir wollen die Gleichmacherei so gering wie möglich halten“, betont Mossakowski. Und so würde auch die kapitalistische Nutella im privaten Kühlschrank geduldet. Allerdings sei sie dort nicht vorgesehen. Jan Zier