Kommentar Lafontaines Populismus: Nützlicher Idiot

Oskar Lafontaine greift die Flüchtlingspolitik seiner Parteispitze an. Damit stellt er das Existenzprinzip einer linken Partei in Frage.

Porträt Lafontaine

Populismus ist ihm nicht fremd Foto: dpa

Noch in der Wahlnacht hatte Sahra Wagenknecht den Grund für das unbefriedigende Wahlergebnis der Linkspartei ausgemacht: Die Linkspartei habe es sich in der Flüchtlingsfrage vielleicht zu leicht gemacht. Damit meinte sie die dominierende Parteilinie, Geflüchteten generell, ganz im Sinne des klassischen Asylrechts, Aufnahme zu gewähren.

Oskar Lafontaine legte kurz darauf nach und beklagte, dass die Partei die Nöte der Arbeitslosen und Arbeiter aus dem Blick verloren und stattdessen zumindest implizit die kurzsichtige Flüchtlingspolitik der Kanzlerin unterstützt habe, rhetorisch sogar darüber hinaus gegangen sei. Damit sei sie sowohl wahlstrategisch, als auch politisch-ideell und mit den Parteivorsitzenden Kipping und Riexinger auch personell falsch aufgestellt gewesen.

Zunächst einmal argumentiert Lafontaine inhuman, wenn er Menschen nicht dort helfen mag, wo sie akut in Not sind, sondern auf die abstrakte Möglichkeit der Hilfe in den Herkunftsländern verweist. Niemand wird die Notwendigkeit bestreiten wollen, „Hunger und Krankheit in den Armutsgebieten zu bekämpfen“. Aber was genau hätte ein Minister oder Kanzler Lafontaine denn 2015 den in Ungarn und Serbien Gestrandeten sagen wollen? Dass sie leider am falschen Ort Hunger und Krankheit litten und deshalb auf Unterstützung aus Deutschland verzichten müssten?

Des weiteren spricht Lafontaine voll taktischem Kalkül mit vollster Absicht Ressentiments an, die letztlich rein populistische Stimmungsmache sind und im Kern Rassismus und Xenophobie bedienen. Die Mieten steigen, die Schulen werden schlechter, es sind gar nicht die Bedürftigsten, die da kommen, schließlich könnten die sich gar keine Schlepper leisten. Der Verweis auf Kriminalität und Terrorismus fehlt, ist aber, soviel darf wohl unterstellt werden, als mögliche Assoziation beim Publikum billigend in Kauf genommen. Glaubt Lafontaine tatsächlich, dass die Schulen besser würden und die Mieten sänken, wenn nur die Flüchtlinge nicht ins Land kämen?

Natürlich glaubt er das nicht. Er glaubt, dass mit dieser Rhetorik Wählerschichten für die Linke (zurück)erobert werden könnten, die sonst unwiederbringlich an rechte Parteien verloren gehen würden. WählerInnen sollen gewonnen werden, indem man ihre niedrigsten Instinkte anspricht, erklärtermaßen den nationalen Ausschluss anstrebt und Solidarität als rein nationales Projekt anonnciert.

Hilfe für die Rüstungsindustrie

Teil der linken Pose, die dann noch bleiben mag, ist die verhalten antikapitalistische und zugegebenermaßen entschieden antimilitaristische Grundhaltung und so schreibt Lafontaine: „Wenn man die Milliarden, die für Interventionskriege und Rüstung ausgegeben werden, dazu nutzt, den Ärmsten in der Welt zu helfen, dann könnte viel Gutes bewirkt werden.“ Sicher, und wenn man aufhören würde, die Angst vor den Ärmsten dieser Welt zu befeuern, würden vielleicht nicht kritiklos Milliarden für die europäische Grenzsicherung verschleudert.

Die schmutzigen Deals mit Despoten und Warlords sind schließlich nur die Spitze des Eisberges. Ein riesiger, vornehmlich deutscher Rüstungskomplex verdient mit dem Verkauf von Drohnen, Zäunen und Waffensystemen zur Flüchtlingsabwehr mehr Geld, als Tayyip Erdoğan zählen kann. Einen besseren Werbeträger als Oskar Lafontaine kann sich dieser militärisch-industrielle Komplex kaum vorstellen.

Wenn Lafontaines Analyse nun aber richtig ist, dass eine großer Teil der potentiellen WählerInnen der Linkspartei derzeit nur über nationalistische und (proto)rassistische Ansprache erreichbar sein kann, dann ist sein Anbiedern an diese Verhältnisse im besten Falle Faulheit, im schlechtesten eine politische Bankrotterklärung. Denn offensichtlich fehlen ihm die Phantasie und der Wille, die Verhältnisse zu ändern. Der Drang zur Veränderung jedoch wäre die einzige Existenzberechtigung einer Partei links der Sozialdemokratie, egal ob in der Opposition oder mit realistischer Machtoption.

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Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Public key: https://pgp.mit.edu/pks/lookup?op=vindex&search=0xC1FF0214F07A5DF4

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