Streit um Kataloniens Unabhängigkeit: Spanien lehnt eine Vermittlung ab

Die spanische Zentralregierung stellt sich gegen eine Einmischung der EU. Katalonien könnte bei einer Sondersitzung am Montag die Unabhängigkeit ausrufen.

Eine Frau hält eine Fahne in der Hand und blickt nach hinten

Der Streit um Spaniens Spaltung geht weiter Foto: reuters

MADRID/BARCELONA dpa | Die katalanische Regionalregierung steuert trotz scharfer Warnungen aus Madrid weiter auf die Unabhängigkeit zu. Für Montag haben die Parteien der separatistischen Koalitionsregierung in Barcelona eine Sondersitzung des Regionalparlaments einberufen. Dabei soll voraussichtlich die Unabhängigkeit ausgerufen werden. Zugleich aber betonte der Chef der Regionalregierung, Carles Puigdemont, Gesprächsbereitschaft unter Beteiligung Dritter. „Die gegenwärtige Situation verlangt nach einer Vermittlung“, sagte er am Mittwochabend im Fernsehen.

Die spanische Zentralregierung unter dem konservativen Ministerpräsident Manuel Rajoy aber setzt auf Härte. Und weder die EU noch Berlin mögen sich einmischen.

Er habe in den vergangen Tagen viele Vermittlungsangebote erhalten und „es wäre unverantwortlich“, diese nicht anzunehmen, sagte Puigdemont. Wer sich als Vermittler angeboten hat, sagte er nicht. Die Regierung in Madrid bezeichnet die Anführer der Unabhängigkeitsbewegung jedoch als Gesetzesbrecher, mit denen nicht verhandelt werde. Puigdemont betonte in seiner Fernsehansprache: „Ich stehe für einen Vermittlungsprozess zur Verfügung, weil der Frieden, der Dialog und die Verhandlung zu unserer politischen Natur gehören.“ Allerdings ließ er offen, worüber er mit Madrid verhandeln will. Die Unabhängigkeitsforderung dürfte kaum zur Disposition stehen. Und nicht weniger fordert Madrid.

Puigdemont schloss denn auch nicht aus, dass er im Zuge des Konflikts auch verhaftet werden könnte. „Ich habe davor persönlich keine Angst. Und mich wundert nichts mehr, was die spanische Regierung tut. Auch meine Verhaftung ist möglich, was ein barbarischer Schritt wäre“, sagte er der Bild. Die spanische Regierung mache einen Fehler nach dem anderen und blende die Realität aus.

Madrid bleibt unnachgiebig

Madrid blieb nach dem Sieg des „Ja“-Lagers am Sonntag beim umstrittenen und chaotischen Referendum über die Loslösung Kataloniens unnachgiebig. Die Regierung werde „alle zur Verfügung stehenden Mittel“ einsetzen, um die Abspaltung zu verhindern und die Einhaltung der Gesetze zu garantieren, sagte Justizminister Rafael Catalá.

Nur einen Tag nach neuen Massendemonstrationen von Hunderttausenden gegen Polizeigewalt während des Referendums und für die Abspaltung ihrer Region bekräftigte Puigdemont am Mittwoch, dass die Pläne zur Ausrufung der Unabhängigkeit von Spanien verwirklicht werden sollen. „Meine Regierung wird keinen Millimeter von ihrer Verpflichtung abrücken.“ In einem Interview der BBC hatte der 54-Jährige zuvor erklärt, derzeit herrsche Funkstille zwischen Barcelona und Madrid.

Beim Referendum am Sonntag hatte eine große Mehrheit der Teilnehmer für die Unabhängigkeit Kataloniens gestimmt. Die Abstimmung war trotz eines Verbots durch das Verfassungsgericht und gegen den Willen Madrids abgehalten worden. Allerdings war die Beteiligung mit 42 Prozent niedrig und Gegner einer Abspaltung dürften der Abstimmung überwiegend fern geblieben sein. Beim harten Einsatz der von Madrid entsandten Polizeieinheiten zur Verhinderung der Abstimmung waren nach Angaben der Regionalregierung fast 900 Menschen verletzt worden.

Dass König Felipe VI. in einer Rede am Dienstagabend kein Wort des Mitgefühls für die Opfer der Polizeigewalt äußerte, keinen Aufruf zum Dialog machte und die Katalanen nicht direkt ansprach, wurde von Puigdemont scharf kritisiert. „So nicht! Mit Ihrer Entscheidung haben Sie sehr viele Katalanen enttäuscht“, sagte er in Richtung des Monarchen – der in erster Linie hervorgehoben hatte, der Staat müsse die verfassungsmäßige Ordnung garantieren.

Zentralregierung bereitet Übernahme vor

Medienberichten zufolge hat die Zentralregierung alles vorbereitet, um im Falle einer Unabhängigkeitserklärung gemäß Verfassungsartikel 155 die Regionalregierung abzusetzen und vorübergehend die Verwaltung der Region zu übernehmen. Aber viele der 7,5 Millionen Katalanen pochen auf ihre „Andersartigkeit“, auf ihre Sprache und Kultur. Der Wunsch nach Selbstbestimmung der Region im Nordosten Spaniens an der Grenze zu Frankreich hat tiefe Wurzeln und ist Jahrhunderte alt. Für Spanien wäre der Verlust der Region von der Größe Belgiens mit einer überdurchschnittlichen Wirtschaftskraft und hohem Steueraufkommen ein harter Schlag.

Sowohl die EU wie auch die Bundesregierung lehnten es erneut ab, sich einzumischen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und auch die EU-Kommission sehen das Problem als innerspanische Angelegenheit. „Die Bundeskanzlerin strebt keine Vermittlungsmission an“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. „Für die EU-Kommission ist das eine interne Angelegenheit Spaniens“, bekräftigte der Vizepräsident der Brüsseler Behörde, Frans Timmermans.

Sevim Dagdelen von der Linken forderte Merkel jedoch zum Handeln auf. Die Bundesregierung dürfe sich „nicht weiter wegducken“, erklärte die Bundestagsabgeordnete. „Angesichts der sich weiter zuspitzenden Situation und der anstehenden einseitigen Unabhängigkeitserklärung Kataloniens braucht es jetzt rasch Initiativen für eine Verhandlungslösung unter Beteiligung der OSZE“, sagte sie.

Der SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer sieht die Schuld für die Eskalation vor allem bei Spaniens konservativem Ministerpräsidenten Mariano Rajoy. „Er hat alles unterlassen, um einen modernen föderalen Staat aufzubauen“, bemängelte Schäfer in Berlin. „Die Entwicklung in Katalonien war abzusehen: Anstatt den stolzen Menschen in dieser wichtigen Region weitreichende Autonomie zu gewähren, versucht es Rajoy mit autoritärem Zentralismus.“

Die Entwicklung zog auch den spanischen Aktienmarkt in Mitleidenschaft. Der Leitindex Ibex 35 knickte um 2,85 Prozent ein. Das war laut Medien der schärfste Kurseinbruch sei dem 24. Juni 2016, dem Tag nach dem Brexit-Votum der Briten.

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