Kommentar Diskussion um #metoo: Sexismus hat viele Gesichter

Die Debatte um #metoo blendet religiöse Aspekte des Patriarchats aus. Es wird vergessen, dass auch Vollverschleierung Sexismus ist.

Ein Kopf ist mit einem blauen Schleier komplett verhüllt

Gesicht zeigen gegen Sexismus müssen alle, sagt Ahmad Mansour Foto: dpa

Reden wir über Sexismus! Offen, mutig, ehrlich. Nur so lässt sich die Situation vieler Frauen in Deutschland verbessern und lassen sich antiquierte Haltungen über Männer und Frauen endlich in die Geschichtsbücher verbannen. Die aktuelle Sexismusdebatte #metoo indes blendet religiöse Aspekte des Patriarchats aus – warum? Was ist denn mit religiös verordneter Geschlechtertrennung? Mit Frauen, die nicht einmal selbst über ihren Wohnort bestimmen dürfen? Mit Mädchen, die nicht schwimmen lernen dürfen? Mit jungen Frauen, deren Lebensentwurf durch die Familien bestimmt wird? Reden wir also darüber!

Ehrenmorde, Zwangsverheiratung und Genitalverstümmelung gehören in Deutschland leider immer noch zum Alltag vieler Frauen. 58.000 Frauen hier mitten unter uns sind von Genitalverstümmelung betroffen, wie die gerade erst kürzlich veröffentlichte – und wie ich finde schockierende – Studie der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes belegt. Weitere 13.000 Frauen sollen zudem aktuell gefährdet sein. Haben Sie dazu einen Aufschrei gehört? Ich nicht. Abgesehen von der Empörung einiger Frauenrechtsorganisationen – Stille.

Ich will den Sexismus in der Mehrheitsgesellschaft keinesfalls relativieren und verharmlosen. Die Debatte ist wichtig und notwendig, und jeder Form des Sexismus in unserer Gesellschaft ist Einhalt zu gebieten. Was ich jedoch nicht verstehe, ist, dass manche Stimmen in dieser Debatte in demselben Atemzug Emanzipation beschwören und Sexismus verteufeln, aber die Vollverschleierung als Freiheitsymbol verteidigen.

Meines Erachtens geht das nicht zusammen. In den Verhüllungsvorschriften für Frauen begründet sich eine patriarchale Ideologie, eine strukturelle Unterdrückung von Frauen durch Männer, religiös hergeleitet. Diese hebt sich auch nicht dadurch wieder auf, dass diese Frauen sich aus freien Stücken verhüllen.

Sexismus hat viele Gesichter. Nur wenn wir alle erkennen, können wir uns ihnen auch entgegenstellen.

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Ahmad Mansour ist Diplom-Psychologe und Autor aus Berlin. Geboren 1976 in Kfar Saba besitzt er die israelische und die deutsche Staatsangehörigkeit. 2018 gründeten Mansour MIND prevention (Mansour-Initiative für Demokratieförderung und Extremismusprävention), die Workshops zur Extremismusprävention durchführt. Dabei arbeitet er mit Insassen von Justizvollzugsanstalten, Geflüchteten und Schüler:innen. Mansour engagiert sich zudem beharrlich gegen Antisemitismus. Sein drittes Buch »Solidarisch Sein! Gegen Rassismus, Antisemitismus und Hass« erschien im Oktober 2020. Für seine Arbeit erhielt er zahlreiche Auszeichnungen.

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