Flüchtlingszahlen in Deutschland: Jeder Fünfzigste ist ein Geflüchteter

Die Zahl der in Deutschland lebenden Flüchtlinge hat sich seit 2014 mehr als verdoppelt. Klagen gegen abgelehnte Asylanträge nehmen stark zu.

Flüchtlinge in mehr oder weniger warmer Kleidung stehen auf einer kalt und verregnet aussehenden Wiese

Mit den Zahlen der Flüchtenden und Schutzsuchenden wird oft wider alle Fakten Politik gemacht Foto: dpa

Deutschland hat etwa zwei Prozent seiner Bevölkerung als Schutzsuchende aufgenommen. Das ergibt sich aus Zahlen, die das Statistische Bundesamt am Donnerstag bekannt gab. Demnach lebten Ende der vergangenen Jahres etwa 1,6 Millionen Flüchtlinge in Deutschland. Ihre Zahl wuchs seit 2014 um 851.000.

Als Schutzsuchende gelten AusländerInnen, die sich unter Berufung auf humanitäre Gründe in Deutschland aufhalten. Darunter fallen zum einen etwa 570.000 Menschen mit laufenden Asylverfahren. Hinzu kommen rund 872.000 Menschen, die ein Aufenthaltsrecht haben, weil sie anerkannt wurden. Bei 158.000 weiteren wurde der Antrag abgelehnt. Sie müssen deshalb Deutschland verlassen. Drei Viertel von ihnen wurden jedoch aus verschiedenen Gründen geduldet. Die Schutzsuchenden machen 16 Prozent an der ausländischen Bevölkerung aus. Die Hälfte von ihnen stammte aus nur drei Ländern: Syrien (455.000), Afghanistan (191.000) und Irak (156.000).

Derweil machte die Bild-Zeitung am Donnerstag mit der Meldung auf, dass 30.000 abgelehnte und ausreisepflichtige Asylbewerber „verschwunden“ seien – und suggerierte damit eine weitere Verschärfung des Problems einer außer Kontrolle geratenen Zuwanderung. Die Zeitung hatte die Zahl so ermittelt: Wenn Flüchtlinge zwar ausreisen müssen, ihre Abschiebung aber nicht möglich ist, haben sie Anspruch auf – reduzierte – Sozialleistungen. Das waren Ende des letzten Jahres insgesamt 54.000 Menschen. Tatsächlich ausgezahlt wurden Sozialleistungen aber nur an 23.000 Ausreisepflichtige.

Das Bundesinnenministerium widerspricht und kritisiert eine „unzutreffende Berechnung“. Schließlich seien jene, die im Ausländerzentralregister als ausreisepflichtig gelistet seien, nur zur Hälfte abgelehnte Asylbewerber. Es seien dort zum Beispiel auch Menschen erfasst, deren Visa abgelaufen seien. Das Ministerium beklagt, auch andere Teile der „Bild“-Kalkulation stimmten nicht, etwa die Gegenrechnung mit Asylbewerberleistungen. Das Innenressort räumt aber ein: Nicht in jedem Fall sei auszuschließen, dass ein Ausreisepflichtiger ohne Kenntnis der Behörden das Land verlasse oder untertauche und weiter im Ausländerzentralregister (AZR) gelistet sei.

In einer Stellungnahme erklärt das Ministerium, dass nur etwa die Hälfte aller aller im AZR als ausreisepflichtig registrierten Ausländer abgelehnte Asylbewerber seien. Der Bildblog rechnete aus, dass demnach nicht 54.000 ausreisepflichtige Asylbewerber einen Leistungsanspruch haben, sondern nur 26.674 Personen. Die von der Bild-Zeitung behauptete Lücke schrumpft so von 30.000 auf etwa 3.000.

„Verschwunden“ sind sie deshalb allerdings nicht gleich. Ein Teil dürfte freiwillig in das Herkunftsland ausgereist sein, ohne sich abzumelden, ein Teil wird in andere EU-Staaten weiter gereist sein, ein Teil dürfte keine Sozialleistungen mehr beziehen und sich mit Jobs oder Geld der Familie über Wasser halten, um einer Abschiebung zu entgehen.

Bamf hat mehr als die Hälfte der Anträge abgelehnt

Ebenfalls am Donnerstag berichtete die Neue Osnabrücker Zeitung, dass immer mehr Asylbewerber gegen die Ablehnung ihres Antrags vor deutschen Verwaltungsgerichten klagen. Zum 30. Juni seien bundesweit etwa 320.000 solcher Verfahren anhängig gewesen. Das entspricht fast einer Verfünffachung gegenüber dem Vorjahr. Erich Müller-Fritzsche vom Verwaltungsrichter-Bund, sagte der NOZ, die Asylklagen würden die Gerichte so stark belasten, dass sich die Arbeit „mit dem gegenwärtigen Personal nicht zeitnah bewältigen lässt“.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hatte nach dem Sommer 2015 lange Zeit einen Berg unerledigter Anträge vor sich hergeschoben. Seit dem Herbst vergangenen Jahres bekam das Amt jedoch eine große Zahl neuer Entscheider, die Verfahren mit erheblicher Beschleunigung entscheiden. So schmolz die Zahl schnell ab. Allein von Januar bis August 2017 entschied das Bamf über rund 444.000 Anträge, rund 248.000 davon wurden abgelehnt.

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